ZeS report

Der ZeS report erschien bis 2014 zweimal im Jahr, gibt Einblicke in aktuelle Forschungsarbeiten und informiert über neue Projekte, Veröffentlichungen, Tagungen u.v.m..


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Editorial

Wie werden Maßnahmen zur Behebung von als sozialstaatlich definierten Problemen bewertet? Dieser ZeS report präsentiert zumeist europäisch vergleichende Untersuchungen, die sich sowohl mit den Prozessen politischer Willens- und Begriffsbildung als auch mit Reformoptionen in einzelnen Politikfeldern auseinandersetzen.

Olaf Jürgens fragt nach Gerechtigkeitspräferenzen und ihren distributiven Konsequenzen in europäischen Wohlfahrtsstaaten und stellt seine Untersuchungsergebnisse über Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat, hier konzentriert auf das Thema Erwerbslosigkeit, vor. Silke van Dyk geht der Entstehung sozialer Pakte nach. Die Ordnung des Konsenses untersucht an zwei empirischen Fallbeispielen – Irland und den Niederlanden – institutionalisierte soziale Kooperationen zwischen Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Regierung. Achim Wiesner und Martin Nonhoff untersuchen die empirische Verwendung des Begriffs der Eigenverantwortung im medialen Diskurs: Das kurze Leben einer Reformvokabel?

Um den Wandel sozialstaatlicher Intervention in der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik am Beispiel Dänemarks geht es in dem Beitrag von Marion Linke Sonderegger; Angelika Oelschläger stellt ihre Arbeit zur Alterssicherung von Selbständigen vor, die sowohl einen historischen Abriss über die Reformdiskussion beinhaltet als auch Anforderungen und Reformbedarfe formuliert.

(Gisela Hegemann-Mahltig)

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Editorial

Eigenverantwortung steht in der gegenwärtigen Sozialstaatsdebatte an prominenter Stelle. Frank Nullmeier zeichnet die Widersprüche – acht Paradoxien – auf, die mit der Forderung nach mehr Eigenverantwortung verbunden sind.

Der Strukturwandel im Erwerbssystem und seine Folgen für die soziale Sicherung ist ein zentrales Thema der Abteilung Geschlechterpolitik im Wohlfahrtsstaat.

  • Welche Veränderungen ergeben sich hinsichtlich der Geschlechterarrangements?

  • Welche Auswirkungen haben Modernisierungs- und Professionalisierungsprozesse auf die Qualität medizinischer Versorgung?

sind u.a. Fragen, an denen Sigrid Betzelt, Annette Henninger und Ellen Kuhlmann arbeiten.

Mit der Pflegeversicherung befassen sich Lars Borchert, Heinz Rothgang und Winfried Schmähl: U. a. geht es um die Debatte über die künftige Finanzierung der Pflegeversicherung, um die Ursachen der Defizitentwicklung, um weitere Prognosen und um die Frage, welche Finanzierungsalternativen denkbar sind.

Weitere Themen: die Beziehungen zwischen europäischer und nationalstaatlicher Politik – ein Projektdesign, vorgestellt von Eric Seils; und die – möglicherweise – größere Rolle, die der Capability-Ansatz zukünftig in der deutschen Sozialpolitikforschung spielen könnte; Ortrud Lessmann stellt den von Amartya Sen entwickelten Ansatz der Verwirklichungschancen vor.

(Gisela Hegemann-Mahltig)

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Editorial

Die Wirtschaftswissenschaftliche Abteilung als eine der fünf Abteilungen des Zentrums für Sozialpolitik befasst sich vorrangig mit ökonomischen Analysen zur sozialen Sicherung. Das Themenspektrum reicht von der Finanzierung sozialer Sicherungssysteme über die demografische Entwicklung bis zu Reformen der Alterssicherung und der Absicherung des Krankheits- und Pflegerisikos, von der Umgestaltung der sozialen Sicherungssysteme in Mittel- und Osteuropa bis zu Einkommensanalysen und Ausgabenstrukturen unterschiedlicher Haushaltstypen.

In diesem ZeS report stellen wir einen kleinen Ausschnitt der Forschungsaktivitäten der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung vor.

Unter dem Thema Ökonomische Analysen zur sozialen Verteilungspolitik gibt Winfried Schmähl einen zusammenfassenden Überblick über das Forschungsspektrum und die Forschungsansätze der Abteilung, deren Themen immer auch deutliche Bezüge zu aktuellen sozialpolitischen Debatten aufweisen.

Uwe Fachinger beschreibt die Ergebnisse einer Untersuchung über Ausgabenstrukturen und Einkommenslage älterer Haushalte. Ziel der Untersuchung war es, die Einkommensverwendung von Haushalten älterer Menschen darzustellen und zu analysieren. Dazu wurden außer der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) auch die MediaAnalyseDaten herangezogen. Die nach soziodemographischen Kriterien differenzierte Analyse betrachtet die Ausgaben im Jahr 1998, ergänzt um einen Zeitpunktvergleich zwischen den Jahren 1993 und 1998. Insgesamt zeigte sich eine große Heterogenität sowohl zwischen als auch innerhalb der soziodemografischen Gruppen.

Holger Viebrok setzt sich mit den Reformen im Bereich der Alterssicherung auseinander und fragt, welche Konsequenzen sich für die finanzielle Lage in privaten Haushalten ergeben, wenn alle Reformen zusammengenommen werden. Der Beitrag Künftige Einkommenslage im Alter bezieht sich dabei auf die Ergebnisse einer Expertise für den 5. Altenbericht der Bundesrepublik, für deren Berechnungen ein eigenes Simulationsmodell weiter entwickelt wurde. Insgesamt ergeben die Modellrechnungen, dass sich das Nettorentenniveau reduziert – trotz der (zusätzlichen) Leistungen aus privater Vorsorge.

Rentenreformen in Mittel- und Osteuropa ist das Thema von Marlene Schubert, die sich in ihrer Untersuchung mit den Reformen der Alterssicherungssysteme in acht mittel- und osteuropäischen Ländern – Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn, die Slowakei, Tschechien und Slowenien – befasst. Im Mittelpunkt steht die Frage nach länderspezifischen Unterschieden bei den Reformkonzepten und nach den Gründen, die zu den Entscheidungen für unterschiedliche Reformkonzepte – radikale oder lediglich parametrisch angepasste Reformen – geführt haben. Der Beschreibung der Reformmaßnahmen folgt eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Theorieansätzen zur Analyse der Gründe für die unterschiedlichen Entscheidungen der einzelnen Länder.

Aus dem großen Fundus der Projekte der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung werden schließlich die mit Drittmitteln geförderten Projekte in einer Übersicht vorgestellt.

Die Tagungsberichte konzentrieren sich auf Themen der Abteilung Geschlechterpolitik im Wohlfahrtsstaat und der Abteilung Gesundheitspolitik, Arbeits- und Sozialmedizin. Ellen Kuhlmann berichtet von dem Workshop DienstleistungArbeitGender im tertiären Sektor, in
dem es um neue Muster der Organisation und Regulierung von Erwerbsarbeit ging. Elke Anna Eberhard fasst die Ergebnisse der Tagung Hormontherapie in den Wechseljahren – Umsetzung der Ergebnisse der WHIStudie in Deutschland zusammen, die sich mit den aktuellen wissenschaftlich und öffentlich geführten Diskussionen um die medikamentöse Behandlung von Frauen in den Wechseljahren beschäftigte. Zum neunten Mal fand in diesem Jahr die Summer School of Public Health in Delmenhorst statt, die vom Zentrum für Public Health in Kooperation mit dem Zentrum für Sozialpolitik und der Stadt Delmenhorst organisiert wurde. In diesem Jahr ging es um die Frage Souverräne Patienten? Wie kompetent wollen, sollen, können wir sein?. Uwe Helmert und Hildegard Jansen-Bitter fassen die Diskussionen für den ZeS report zusammen.

Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) Soziale Ungleichheit – Kulturelle Unterschiede waren auch in diesem Jahr wieder Mitglieder des Zentrums für Sozialpolitik mit verschiedenen Beiträgen vertreten. Wir berichten darüber ebenso wie über die Sitzung des Beirats des Zentrums für Sozialpolitik, die auch in diesem Jahr wieder im Mai in Bremen stattfand.

Wie immer berichten wir über neue Projekte und Personalia. Neuerscheinungen von Mitgliedern des Zentrums für Sozialpolitik, die ZeS-Arbeitspapiere und die neusten Ausgaben der Zeitschrift für Sozialreform sind unter den Veröffentlichungen zusammengestellt. Unter den Ankündigungen finden Sie das Programm des Gesundheitspolitischen Kolloquiums im Wintersemester 2004/05 Prävention und Public Health Genetics wie auch das Programm der Jour-fixe Reihe des Zentrums für Sozialpolitik, die in diesem Semester zu dem Thema Auswirkungen sozialpolitischer Reformen auf die Lebenslage der Bevölkerung. Möglichkeiten und Genzen modellgestützter Wirkungsanalysen durchgeführt wird.

(Gisela Hegemann-Mahltig, Winfried Schmähl)

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Editorial

Nach mehreren Schwerpunktheften (Sozialpolitikforschung und Wohlfahrtsdemokratie; Forschungsnetzwerke; Geschlechterpolitik) berichtet diese Ausgabe des ZeS report über unterschiedliche Forschungsthemen und -projekte, die im Zentrum für Sozialpolitik bearbeitet werden.

Der Begriff der Generationengerechtigkeit – ein in der aktuellen Sozialpolitik vielfach verwendeter Begriff – steht im Mittelpunkt einer Analyse von Frank Nullmeier. Frank Nullmeier untersucht den Diskurs zur Generationengerechtigkeit in Wissenschaft und Politik, und geht den unterschiedlichen Facetten der Begriffe Generation und Gerechtigkeit und ihrem Zusammenhang nach und verfolgt deren Entwicklung sowohl in der politischen Auseinandersetzung als auch im wissenschaftlichen Diskurs.

Gering Qualifizierte in Deutschland und England: Kontrast der institutionellen Schnittflächen von Bildungs- und Beschäftigungssystemen ist Thema eines Projekts, dessen erste Ergebnisse Achim Schmid vorstellt. Der Beitrag konzentriert sich auf Struktur und Zusammensetzung der Problemgruppe der gering Qualifizierten und geht Unschärfen in der Bildungs- und Beschäftigtenstatistik nach. Des Weiteren werden erste Ergebnisse der Auswertung britischer Evaluationsstudien präsentiert, die sich mit den Strategien und institutionellen Rahmenbedingungen für Erfolge in der Arbeitsmarktintegration befassen.

Um die Möglichkeiten, aus der Abhängigkeit von Sozialhilfe auszusteigen, geht es in dem von Petra Buhr beschriebenen Projekt Verlaufs- und Ausstiegsanalyse Sozialhilfe. In diesem vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (ehemals Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung) in Auftrag gegebenen Projekt geht es um die Frage, wie stabil Ausstiege aus der Sozialhilfe sind und wie sich die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ehemaliger Sozialhilfeempfänger gestaltet. Petra Buhr beschreibt das Forschungsansatz dieses Projekts.

Die Altersvorsorge Selbständiger wird mit der zunehmenden Anzahl dieser Personengruppe zu einem größeren sozialpolitischen Problem. Die Einkommens- und Vermögenssituation dieser Selbständigen ohne weitere bezahlte Arbeitskräfte gestaltet sich zum Teil deutlich schlechter als die der sozialversicherungspflichtig abhängig Beschäftigten. Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) gab dazu eine Studie in Auftrag, die im Zentrum für Sozialpolitik von Sigrid Betzelt und Uwe Fachinger bearbeitet wurde. Als mögliche Lösung wird – unter der Annahme bestimmter Zielvorgaben – die obligatorische Einbeziehung aller Selbständigen in die Gesetzliche Rentenversicherung vorgeschlagen.

Das Thema war auch Gegenstand einer Tagung, die die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) mit dem Zentrum für Sozialpolitik in Berlin durchgeführt hat. Eine kurze Zusammenfassung dazu findet sich unter den Tagungsberichten in diesem Heft.

Rente als Bildungsrendite ist das Thema des Beitrags von Wolfgang Voges, der sich mit der Bedeutung des Bildungsniveaus für die Übernahme von Positionen im Erwerbssystem und die Höhe des Rentenniveaus beschäftigt. Untersucht werden u. a. die Bedingungen ausbildungsinadäquater Beschäftigung und die Chancen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen auf jeweils unterschiedlich hohe Bildungsrenditen.

Die Tagungsberichte werden eröffnet mit einem Beitrag von Bernard Braun und Martin Buitkamp. Die Autoren stellen die Ergebnisse einer Tagung über Surveys im Gesundheitswesen und die Entwicklungen und Perspektiven der Versorgungsforschung und Politikberatung vor.

Das Thema Alter und Alterssicherung spielte nicht nur in der bereits erwähnten Tagung der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) eine Rolle: Jörg Sommer berichtet über das Graduiertenkolleg des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger e. V. (VDR), das im Rahmen des Forschungsnetzwerks Alterssicherung durchgeführt wurde. Alterssicherung im Prozess der Deutschen Einheit war Thema eines Seminars, über das Angelika Oelschläger berichtet; das Seminar wurde vom Zentrum für Sozialpolitik im Rahmen der Förderinitiative Dialog, Wissenschaft und Praxis in Etelsen veranstaltet. Karl Hinrichs berichtet über ein Treffen des Projekts ActivAge (Overcoming the Barriers and Seizing the Opportunities for Active Ageing Policies in Europe), in dem es hauptsächlich um die Vorbereitung des Projektmoduls Aktives Altern und europäische Alterssicherungssysteme ging.

Neben den Hinweisen auf neue Projekte und Veranstaltungen – das Gesundheitspolitische Kolloquium, die Jour-fixe Reihe – ist diesmal auch auf ein neues Angebot in Lehre und Studium aufmerksam zu machen: Zum Wintersemester 2004/05 wird an der Universität Bremen ein Masterstudiengang Sozialpolitikforschung eröffnet, der in hohem Ausmaß von Mitgliedern des  Zentrums für Sozialpolitik getragen wird.

Unter dem Titel Eine neue Architektur der Sozialen Sicherung in Deutschland? ist im Februar die erste in Bremen redaktionell verantwortete Ausgabe der Zeitschrift für Sozialreform (ZSR) erschienen. Auch sie wird – neben weiteren Veröffentlichungen und den Neuerscheinungen in der ZeS-Arbeitspapierreihe – in diesem ZeS report vorgestellt.

(Gisela Hegemann-Mahltig)

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Editorial

Hat sich der Begriff des Wohlfahrtsstaates überholt oder ist gar – was die praktischen Wirkungen betrifft und ideengeschichtlich betrachtet – Demokratie mit Wohlfahrtsstaatlichkeit immer schon identisch? Brauchen wir einen neuen Begriff für etwas, das man immer schon hätte anders kennzeichnen sollen – oder sind es neuere Entwicklungen, die nach einem neuen Begriff, eben der Wohlfahrtsdemokratie statt dem Wohlfahrtsstaat verlangen?

Mit einem Vortrag Sozialpolitikforschung und Wohlfahrtsdemokratie – Entwicklungen und Perspektiven hatte Stephan Leibfried bereits 2002 im Wissenschaftlichen Beirat des Zentrums für Sozialpolitik eine anregende und zum Teil kontrovers geführte Diskussion ausgelöst. Stephan Leibfried begründet seinen Vorstoß im Wesentlichen damit, dass der Begriff des Wohlfahrtsstaates geradezu dazu einlade, Produktion, Regulierung und Organisation von Wohlfahrt allein Staat und Regierung zuzuordnen. Dieses Modell treffe aber immer weniger die soziale Wirklichkeit und habe ohnehin, so die Ergebnisse international vergleichender Forschung, nur beschränkte Gültigkeit für die Art wie in anderen Ländern Wohlfahrtsproduktion stattfinde.

Die Debatte wurde in einem Workshop des ZeS im Oktober 2003 erneut aufgegriffen. Dabei stand die Frage im Vordergrund, ob die Sozialpolitikforschung mit dem Begriff der Wohlfahrtsdemokratie ein schärferes Analyseinstrument zur Hand habe als mit dem traditionellen Begriff des Wohlfahrtsstaates. In einem einleitenden Kommentar zu dem Vortrag von Stephan Leibfried wies Frank Nullmeier darauf hin, dass die Begründungen für die Einführung des Begriffes der Wohlfahrtsdemokratie auf sehr unterschiedlichen Ebenen liegen könnten: Geht es um den normativen Gehalt des Demokratiebegriffs? Oder zielt der Wechsel auf empirisch nachvollziehbare Entwicklungen, die mit dem Begriff der Wohlfahrtsstaatlichkeit nicht mehr richtig beschrieben werden oder soll der Begriff der Wohlfahrtsdemokratie den Blick auf (neue) interessante Sozialpolitikfelder richten, die nicht staatlich organisiert sind?

In der anregenden und lebhaften Diskussion blieb zunächst umstritten, ob der Begriff der Wohlfahrtsdemokratie die angesprochenen Veränderungen (wenn und soweit der Begriff denn auf diese abzielt) tatsächlich präziser umreißt als es der Begriff des Wohlfahrtsstaates tut. Nimmt man beispielsweise die zwar staatsfern organisierte betriebliche Sozialpolitik in den USA, so ist sie dennoch – über die Steuerpolitik – staatlich reguliert und wird so erst ermöglicht. Oder: Nimmt man die deutsche Entwicklung vom traditionellen Bismarck‘schen Sozialversicherungsmodell zu mehr Markt (wenn die Entwicklung denn damit richtig beschrieben ist) – wäre dann Demokratie der richtige Begriff, um diese Entwicklung zutreffend zu beschreiben? Wäre der Befund nicht auch hinreichend beschrieben, würde man es einfach bei Francis Castles' Sozialpolitik mit anderen Mitteln belassen?

Diskutiert wurde auch der Zusammenhang von Wohlfahrt und Demokratie und die Bedeutung demokratischer Verfahren im Abstimmungsprozess um die Gewährleistung von Wohlfahrtsarrangements, die die sozialen Sicherungsbedürfnisse der (Mehrheit der) Bürger bedienen. Dabei wurde deutlich, dass sich die Diskussion im Wesentlichen auf die OECD-Länder beschränkt – eben auf demokratische Systeme, denen über die allen Bürgern gleichermaßen zugestandene Wahlbeteiligung eine Tendenz zur Wohlfahrt für alle eingeschrieben sei.

Mit diesem ZeS report veröffentlicht das ZeS den Beitrag von Stephan Leibfried und den Kommentar von Frank Nullmeier, in dem die wesentlichen Stränge der Diskussion bereits aufgenommen sind. Eine Fortsetzung der Diskussion ist für das Frühjahr 2004 geplant, u. a. in der kommenden Beiratssitzung, die sich voraussichtlich mit dem Thema Wohlfahrtsmärkte und Entstaatlichung beschäftigen wird.

Die Berichte über Veranstaltungen des ZeS werden mit dem Thema Familie, Legitimation und Standortsicherung eröffnet, ein Resümee der Beiratssitzung 2003, in der außer dem inhaltlichen Schwerpunkt auch infrastrukturelle Fragen beraten wurden. Es folgt ein Bericht von Martin Seeleib-Kaiser über die von der Fritz- Thyssen-Stiftung geförderte Tagung Sozial- und Wirtschaftspolitik unter Rot-Grün, die im März 2003 im ZeS durchgeführt wurde. Beschäftigungsbündnisse – Neue Problemlösungspotentiale auf regionaler und europäischer Ebene war das Thema eines gemeinsam mit dem Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen durchgeführten Workshops, über den Martin Roggenkamp und Elke Scheffelt berichten. Mehrere Veranstaltungen im September/Oktober 2003 befassten sich mit der Genderthematik: das Hanse-Wissenschaftskolleg Delmenhorst veranstaltete zusammen mit dem Zentrum für Sozialpolitik einen internationalen Workshop zum Thema New Economy and Gender. Chancen und Risiken in vergleichender Perspektive; in der Universität Bremen organisierten das Jean Monnet Centre for European Studies (CeuS), das Zentrum für Feministische Studien und das Zentrum für Sozialpolitik eine Diskussion zum Thema Globalisierung und Europäisierung: Risiken oder neue Chancen für Frauen und die Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Karin Gottschall gibt einen Überblick über diese beiden Veranstaltungen. Über den Workshop Koronare Herzerkrankungen und Desease Management Programme – was bringt die Geschlechterperspektive berichtet Ellen Kuhlmann. Auch in diesem Workshop, der Ende Oktober im ZeS stattgefunden hat, stand der Genderaspekt im Vordergrund.

Wie immer finden Sie auch in diesem Zes report Ankündigungen zu weiteren Veranstaltungen und Veranstaltungsreihen, eine kurze Vorstellung neuer Projekte, Berichte über Personalia und schließlich Hinweise zu neueren Veröffentlichungen von ZeS-Mitgliedern sowie Neuerscheinungen in der Reihe der ZeS-Arbeitspapiere.

(Gisela Hegemann-Mahltig, Stephan Leibfried)

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Editorial

Dies gilt im besonderem Maße für die langjährige Zusammenarbeit mit dem Sonderforschungsbereich Statuspassagen und Risikolagen im Lebensverlauf (Sfb 186), der kurz vor Gründung des ZeS mit der Arbeit begonnen hatte und der nach zwölfjähriger Förderung durch die DFG Ende 2001 erfolgreich abgeschlossen wurde.

Diese Praxis des Zentrums für Sozialpolitik, seine Arbeit in Institute und Institutionen der Universität einzubringen, die in thematisch verwandten Feldern arbeiten, hat sich im Laufe der Jahre fest etabliert und zu weiteren auch institutionellen Forschungsnetzwerken in der Universität sowie mit anderen wissenschaftlichen Institutionen in Bremen entwickelt:

  • Im November 2002 hat die DFG den neuen Sonderforschungsbereich Staatlichkeit im Wandel (Sfb 597) bewilligt, an dem das ZeS mit drei Projekten und einem weiteren assoziierten Projekt beteiligt ist. Träger des Sonderforschungsbereichs sind neben der Universität auch die International University Bremen (IUB) und die Hochschule Bremen. Der Sfb hat seine Arbeit Anfang 2003 aufgenommen. Die Universität Bremen beherbergt damit dem ersten und einzigen politikwissenschaftlichen Sfb in Deutschland.

  • Zum Wintersemester 2002/03 hat eine sozialwissenschaftliche Graduiertenfakultät ihre Arbeit aufgenommen – die Graduate School of Social Sciences (GSSS), die mit einer Anschubfinanzierung durch die VolkswagenStiftung gefördert wird. Die GSSS bietet eine bislang einmalige Gelegenheit einer thematisch konzentrierten, modellhaft organisierten und intensiv betreuten Doktorandenförderung in einem Forschungsverbund. Träger der GSSS sind neben dem Zentrum für Sozialpolitik das Institut für Interkulturelle und Internationale Studien (InIIS) und das Institut für Empirische und Angewandte Soziologie (EMPAS), beides politik- bzw. sozialwissenschaftliche Forschungsinstitute im Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Bremen.

  • Die Zusammenarbeit mit den Gesundheitswissenschaften im Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften der Universität hat im Zentrum für Sozialpolitik ebenfalls eine lange Tradition. So waren Mitglieder des Zentrums für Sozialpolitik maßgeblich an dem Aufbau den Zentrums für Public Health beteiligt, das im November 2002 eine außerordentlich positive Begutachtung durch seinen Beirat erfahren hat.

  • Eine Kooperation anderer Art, nämlich in Verbindung von Wissenschaft und sozialpolitischer Praxis, bietet das Brückenprogramm Wissenschaft und Praxis zur Zukunftsfrage der Transformation des Sozialstaats, in dem ein Austausch von Wissenschaftlern und Praktikern in sozialpolitischen Arbeitsfeldern organisiert wird. Voraussichtlich noch im Frühjahr 2003 werden erste Stipendiaten, deren Finanzierung durch die VolkswagenStiftung erfolgt, mit der Umsetzung dieses Programmes beginnen. Eine Internationalisierung des Programmes ist in Planung.

  • Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Forschungsnetzwerken des EMPAS, der GSSS, des InIIS, des Sfb und des ZeS hat sich darüber hinaus eine übergreifende Initiative konstituiert. Ziel dieses Forschungsnetzwerkes Politik und Wohlfahrt in der Internationalisierung ist es, auch die informationstechnische Grundlage der Arbeit abzusichern.

In den anschließenden Berichten über Tagungen zeigt sich ebenfalls, dass die Arbeit des Zentrums für Sozialpolitik in so gut wie allen Themenfeldern in weitere Forschungsnetzwerke eingebunden ist. So berichten Ellen Kuhlmann und Sigrid Betzelt über die Tagung Wandel im Dienstleistungssektor - Flexibilisierung der Geschlechterverhältnisse, die im Rahmen einer Initiative für ein multidisziplinäres Netzwerk von Wissenschaftlerinnen aus unterschiedlichen Disziplinen getragen wird, die aus der Geschlechterperspektive zu den Veränderungen im Dienstleistungssektor arbeiten.

Der Bericht von Holger Viebrok zum 9. Universitätsseminar über Reformen in der Alterssicherung weist auch auf die Praxisorientierung des Zentrums für Sozialpolitik hin. Dies gilt auch für das Sozialpolitische Kolloquium der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin (BFA), das 2002 zum Thema Gesundheitspolitik und Alterssicherung durchgeführt wurde und über das Winfried Schmähl berichtet.

Ergänzt werden die Berichte durch weitere Hinweise auch zu innerinstitutionellen Entwicklungen, z. B. über die Gründung eines Arbeitskreises Geschlechterpolitik und Genderforschung im ZeS wie auch über die Verabschiedung eines neuen Frauenförderplans.

Wie immer wird über Personalia, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Gastwissenschaftler und Gastwissenschaftlerinnen u. a. berichtet. Selbstverständlich fehlen auch nicht Hinweise auf Veröffentlichungen und Neuerscheinungen sowie Ankündigungen auf Veranstaltungen, die in nächster Zeit vom Zentrum für Sozialpolitik oder unter maßgeblicher Beteiligung von Mitgliedern des ZeS durchgeführt werden.

(Gisela Hegemann-Mahltig, Stephan Leibfried)

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Editorial

Sozialpolitik aktuell, Sozialpolitik im Ländervergleich, Sozialpolitik in Europa und europäische Sozialpolitik waren die Schwerpunktthemen der letzten Ausgaben des ZeS report. Diese Themen spielen auch in der vorliegenden Ausgabe des ZeS report eine Rolle, die – thematisch vielfältig und auch ZeS-übergreifend – Berichte aus Forschungsschwerpunkten und Projekten des Zentrums für Sozialpolitik in den Mittelpunkt stellen.

Jörg Sommer gibt einen Einblick in eine europäische Debatte; es geht um die Methode der offenen Koordinierung der Alterssicherung in der Europäischen Union. Mit der offenen Koordinierung wird der Einfluss der supranationalen Ebene auf die Gestaltung der nationalstaatlich geprägten Sozialpolitik beschrieben. Jörg Sommer kommt zu dem Schluss, dass die offene Koordinierung in ihrer konzeptionellen Entwicklung bereits weit voran geschritten ist, wenngleich die Umsetzung eher ins Stocken geraten ist und weitere Entscheidungen abzuwarten sind.

Achim Schmid stellt ein europäisch vergleichendes Projekt vor, das in Kooperation mit der Universität Konstanz durchgeführt wird und sich mit gering Qualifizierten in Deutschland und England beschäftigt. Die Untersuchung bezieht – für Deutschland – grenzüberschreitend nicht nur das Beschäftigungs- sondern auch das Bildungssystem in die sozialpolitischen Analysen ein. Ziel der Untersuchung, die im September 2002 beginnen wird, ist ein Vergleich über den unterschiedlichen Umgang mit den zunehmenden Beschäftigungsproblemen gering qualifizierter Arbeitskräfte in Deutschland und England, die sich in der Organisation ihrer sozialen Sicherungssysteme, des Arbeitsmarktes und des Bildungswesens deutlich von einander unterscheiden.

Unter dem Titel Flexibilisierung und Gendering von Erwerbsformen stellt Ellen Kuhlmann eine Studie vor, die sich mit Professionalisierung und Dienstleistungsqualität in der ambulanten Versorgung beschäftigt. Diese Studie ist als gemeinsames Projekt der Abteilungen Geschlechterpolitik im Wohlfahrtstaat und Gesundheitspolitik, Arbeits- und Sozialmedizin angelegt. Die politisch praktischen Erträge des Projekts zielen zum Einen auf Handlungsspielräume für eine geschlechtergerechte Gestaltung der Erwerbsstrukturen im Gesundheitssektor; zum Anderen geht es um Gestaltungsspielräume in der ambulanten Gesundheitsversorgung und um Fragen der Dienstleistungsqualität. Mit der Konzentration des empirischen Teils der Studie auf die Region Bremen ist auch der Transfer von Forschungsergebnissen in die sozialpolitische Praxis angestrebt.

Mit einem Überblick über die Betriebliche Gesundheitspolitik umreißt Rainer Müller einen Schwerpunkt der Arbeiten der Abteilung Gesundheitspolitik, Arbeits- und Sozialmedizin, der sozialpolitische Forschung und Praxis eng miteinander verknüpft. Das Politische in der Betrieblichen Gesundheitspolitik, der Betrieb als Feld von Gesundheitspolitik, Sicherheit und Gesundheit als Gegenstand des Arbeitsschutzes und das betriebliche Gesundheitsmanagement sind die Themen des Beitrags.

Anschließend stellen Okka Alberts und Gerd Marstedt die Ergebnisse des Projekts Integration älterer und gesundheitlich beeinträchtigter Arbeitnehmer/innen des öffentlichen Dienstes in der Erwerbsphase vor, das Ende 2001 abgeschlossen wurde; über dieses Projekt hatten wir bereits im ZeS report 1/2000 berichtet.

Neu ist ein Projekt, das in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung durchgeführt wird. Das Projekt, von Bernard Braun kurz vorgestellt, zielt auf eine dauerhafte versicherten-, patienten- und arztbezogene Gesundheits-Berichterstattung: eine Datenerhebung zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Deutschland.

Marlene Schubert berichtet von einer Tagung im September 2001 in Vilnius, die sich mit der Absicherung gegen Erwerbsminderung und den Reformen in den Alterssicherungssystemen in Osteuropa beschäftigt hat. Diese – mittlerweile regelmäßig durchgeführten – Osteuropa Tagungen sind Ergebnis der vielfältigen und engen Kooperationen, die in einem Projekt des Zentrums für Sozialpolitik zur Umgestaltung der Alterssicherung im Transformationsprozess ost- und mitteleuropäischer Staaten entwickelt und gefestigt wurden.

Patientenschutz, Arzneimittelinformation und Effizienz standen im Mittelpunkt eines Symposiums zur Arzneimittelforschung, das das Zentrum für Sozialpolitik gemeinsam mit dem Zentrum für Public Health, dem Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin und der Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V. in Bremen durchgeführt hat. Gerd Glaeske fasst Diskussionen und Ergebnisse zusammen.

Im Rahmen der Förderinitiative Dialog Wissenschaft und Praxis hat im November 2001 das mittlerweile 8. Universitätsseminar, diesmal zum Thema Pflegeversicherung, auf Schloß Etelsen stattgefunden; auch über diese Veranstaltung berichtet Marlene Schubert.

Es folgt ein kurzer Bericht von Herbert Obinger über einen Workshop zur politischen Ökonomie, der im Dezember im Zentrum für Sozialpolitik in Bremen stattgefunden hat. Der Workshop befasste sich mit politisch-institutionellen Einflüssen auf die makroökonomische Performance im Zeitraum zwischen 1960 und 2000.

Schließlich berichten Hendrik Dräther und Jörg Sommer über ein Graduiertenkolleg, das der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) zu Fragen der Alterssicherung durchgeführt hat, an dem viele Mitglieder aus der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung des Zentrums für Sozialpolitik teilgenommen haben.

Die Tagungsberichte werden durch Ankündigungen weiterer Tagungen ergänzt; wie immer finden Sie das Programm des Gesundheitspolitischen Kolloquiums und der Jour-fixe-Reihe des Zentrums für Sozialpolitik vor.

Wir informieren über neuere Veröffentlichungen von Mitgliedern des Zentrums für Sozialpolitik, über Neuerscheinungen in der Schriftenreihe und bei den ZeS-Arbeitspapieren.

Wie immer finden Sie auch Personalia, Informationen über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Gäste im Zentrum für Sozialpolitik.

An dieser Stelle sei auch schon darauf hingewiesen, dass in Kürze der 4. Tätigkeitsbericht des Zentrums für Sozialpolitik erscheinen wird. Der Bericht gibt einen Überblick über die Arbeit der Jahre 1999 bis 2001, eingebunden in eine umfassende theoretische Verortung der Arbeiten des ZeS und seiner weiteren Perspektiven.

(Gisela Hegemann-Mahltig)

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Editorial

Die Riester-Rente ist durchgesetzt, das Bundesverfassungsgericht entscheidet über Familienförderung in der Pflegeversicherung, die Bundesregierung legt einen Bericht zu Armut und Reichtum in der Bundesrepublik vor, in der Gesundheitsreform stehen weitere Entscheidungen aus – Themen und Entwicklungen, die auch im Mittelpunkt vieler Arbeiten des Zentrums für Sozialpolitik stehen. Nicht von ungefähr waren und sind Mitglieder des Zentrums für Sozialpolitik an den unterschiedlichsten Stellen auch an Beratungsprozessen im politischen Entscheidungsgang beteiligt.

Hatten die letzten Ausgaben des ZeS report den Schwerpunkt auf internationale Studien und vergleichende Untersuchungen gelegt, wollen wir in diesem Heft verstärkt aktuelle sozialpolitische Entwicklungen vor allem in Deutschland aufgreifen und die – wenn auch eher mittelbare – praktische Relevanz der unterschiedlichen Forschungsarbeiten vorstellen.

In dem Beitrag Rentenreform 2000/2001 – mehr als die Riester-Rente setzen sich Winfried Schmähl und Holger Viebrok mit den wichtigsten Elementen der Reformgesetzgebung auseinander, die weit mehr umfassen als die in der Öffentlichkeit in den Vordergrund gestellte Förderung der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Heinz Rothgang stellt die Verfassungsgerichtsurteile zur Benachteiligung  von Familien in der Pflegeversicherung vor und untersucht die Tragfähigkeit ihrer Begründungen.

Der Gesundheitsmarkt neben den Leistungsangeboten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, der entfesselte zweite Gesundheitsmarkt, ist Thema des Beitrags von Gerd Glaeske, in dem die Frage nach Qualitätssicherung und -kontrolle in den Mittelpunkt gestellt wird.

Erstmalig hat die Bundesregierung einen Armuts- und Reichtumsbericht für die Bundesrepublik Deutschland vorgelegt. Stephan Leibfried hat dazu in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau Stellung genommen, den wir hier in einem Nachdruck vorstellen.

Einen Blick über die deutschen Grenzen hinaus unternimmt Antonia Gohr, die sich mit der Parlamentswahl in Italien im Mai 2001 befasst und deren Auswirkungen auf das Parteiensystem und mögliche Perspektiven für das politische System untersucht und nach den Chancen sozialpolitischer Entwicklungen in Italien fragt.

Auch die Berichte aus laufenden oder abgeschlossenen Forschungsprojekten des Zentrums für Sozialpolitik weisen einen engen Bezug zu aktuellen sozialpolitischen Debatten auf, so beispielsweise der Bericht von Bernard Braun über die Ergebnisse einer Untersuchung zur Qualität  der Versorgung von Typ 2 Diabetes-Patienten oder der Bericht von Wolfgang Hien über ein Projekt zum Thema Arbeitsplatz und Gesundheit, das sich mit den gesundheitlichen Belastungen ehemaliger Vulkan-Werftarbeiter in Bremen beschäftigt.

Die Alterssicherung von Selbstständigen markiert - neben dem Ausbau der privaten Altersvorsorge – einen Bereich sozialpolitischer Aktivität, der zunehmend auch in Deutschland an Bedeutung gewinnt. Uwe Fachinger stellt erste Ergebnisse eines Projektes vor, das auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme bestehender Regelungen und Entwicklungen in der sozialen Sicherung selbstständig Erwerbstätiger nach geeigneten Handlungsstrategien zur Gewährleistung einer ausreichenden Absicherung im Alter fragt.

In einem von der Volkswagen-Stiftung geförderten Projekt befasste sich Franziska Kuhlmann mit der Entwicklung des russischen Alterssicherungssystems. Als zentrales Ergebnis ihrer Analyse arbeitet sie hinaus, dass die Einführung eines neuen Rentensystems in der russischen Förderation nicht gelingen kann, wenn nicht die Probleme des alten Systems vorab bewältigt werden.

Aktuelle sozialpolitische Themen spiegeln sich auch in den Tagungsberichten aus dem Zentrum für Sozialpolitik. Uwe Schwarze berichtet über die internationale Tagung Der Aktivierende Sozialstaat. Chancen und Grenzen, die vom Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales mit Unterstützung der Universität Bremen und mit aktiver Beteiligung des Zentrums für Sozialpolitik durchgeführt wurde. In dem Beitrag von Sozialsenatorin Hilde Adolf, ebenfalls zu dieser Tagung, wird die Nähe zu der neu entfachten Diskussion um die Gewährung von Sozialhilfe (und das amerikanische Vorbild) deutlich. Der Beitrag ist zugleich ein Plädoyer für eine fortgesetzte und enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis.

Ein weiterer Tagungsbericht von Dietrich Milles über Patientenorientierung in der gesundheitlichen Versorgung, Hinweise auf neue Projekte und Veranstaltungsankündigungen, auch Personalia, geben Einblick in das umfassende Spektrum sozialpolitischer Forschung und auch Lehre, die im Wesentlichen von Mitgliedern des Zentrums für Sozialpolitik in der Universität Bremen getragen wird.

(Gisela Hegemann-Mahltig)

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Editorial

Die Entwicklung der Sozialpolitik in Deutschland, die europäische Dimension sozialpolitischer Aktivitäten und die zunehmende Transnationalität von Problemen und Lösungen bilden einen Kern der Forschungsarbeiten des Zentrums für Sozialpolitik. International vergleichende Analysen ziehen sich durch die Arbeiten aller Abteilungen. Mit der Jour-fixe Reihe Sozialpolitik im Ländervergleich, die das Zentrum für Sozialpolitik im Wintersemester 2000/01 durchgeführt hat, wurde eine Auswahl dieser Arbeiten vorgestellt. Die Beiträge werden in diesem ZeS report, zum Teil stark gekürzt und überarbeitet, einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

In einem Beitrag zur anonymen Sozialpolitik des Marktes untersucht Herbert Obinger die politisch-institutionellen Grundlagen des Wirtschaftswachstums. Für den Zeitraum zwischen 1960 und 1992 untersucht Herbert Obinger den Effekt von drei potenziellen politischen Einflussgrößen für ein Sample von knapp 100 Ländern: den Einfluss von Property Rights, die Effektivität des politisch-administrativen Systems sowie den Einfluss der politischen Stabilität auf die ökonomische Entwicklung. Die Ergebnisse heben den Wert der Qualität von Institutionen für eine positive Entwicklung des Wirtschaftswachstums hervor und verweisen auf die politische Dimension von ökonomischen Entwicklungen; als wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige ökonomische Entwicklung wurden die Etablierung eines effektiven Institutionen-Systems und die Gewährleistung politischer Stabilität nachgewiesen.

Sven Jochem untersucht den Reformprozess in vier verhandlungsdemokratisch strukturierten europäischen Wohlfahrtsstaaten - Dänemark, Schweden, die Niederlande und Deutschland - in den 80er und 90er Jahren: Welche Möglichkeiten des Interessenausgleichs haben Verhandlungsdemokratien im wohlfahrtsstaatlichen Reformprozess, welche Wege sind verschlossen und wie richten die politischen Akteure ihre Strategien aus? Nach einer typologischen Verortung der vier Wohlfahrtsstaaten kommt Sven Jochem zu dem Schluss, dass innerhalb der gebräuchlichen Klassifizierungen unterschiedliche Reformpotenziale angelegt zu sein scheinen. Die Untersuchung entscheidender Weichenstellungen vor allem in den frühen 80er und der weiteren Entwicklung in den 90er Jahren zeigt für alle vier Länder, dass wohlfahrtsstaatliche Reformpolitik zunehmend an den Schnittstellen zwischen Arbeitsmarkt und Sozialpolitik ansetzt. Während konkordanzdemokratische Muster sowohl in Dänemark als auch in den Niederlanden weitreichende Reformen ermöglicht haben, bedeutet die föderale Struktur Deutschlands eine Reformbarriere. Jochem kommt weiter zu dem Ergebnis, dass die Denationalisierung der europäischen Ökonomie von einer Denationalisierung weiterer Politikfelder ergänzt wird; nicht nur die Lohnpolitik in den europäischen Ländern sondern auch die sozialpolitische Reformdebatte gleiche sich zunehmend an.

Uwe Helmert richtet den Blick auf die Gesundheitspolitik und geht der Frage nach, in welchem Ausmaß auch heute noch soziale Bedingungsfaktoren für Krankheitsentstehung und Frühsterblichkeit von Bedeutung sind – ein Thema, das in der gesundheitspolitischen Diskussion
in Deutschland kaum eine Rolle spielt. Während beispielsweise aus England und den skandinavischen Ländern umfangreiche Untersuchungen über die soziale Ungleichheit bei Morbidität und Mortalität vorliegen, ist die Forschungslage in Deutschland ausgesprochen defizitär. Die Studien zeigen übereinstimmend, so Helmert, dass weiterhin sozialschicht-spezifische Unterschiede bestehen, wenngleich sie in den verschiedenen Ländern unterschiedlich ausgeprägt sind.

Einen ebenfalls vernachlässigten Bereich, auch in der politischen Diskussion, stellt die Invalidenversicherung dar. Holger Viebrok berichtet über ein Projekt, das europäische Entwicklungstendenzen in der Invalidenversicherung untersucht. Die Ausgangshypothese der Untersuchung, dass die Invaliditätssicherung immer mehr auch zu einem Instrument der Arbeitsmarktpolitik geworden ist, konnte zwar zunächst bestätigt werden. Da aber seit Beginn der 70er Jahre unter dem Druck von Finanzierungsfragen die Senkung der Ausgabenentwicklung in den Vordergrund rückte, wurde, wie zuvor schon in anderen Ländern, jüngst auch in Deutschland das Arbeitsmarktrisiko von der Absicherung gegen Erwerbsminderung getrennt.

Franz-Xaver Kaufmann, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Zentrums für Sozialpolitik, trug am 24. Januar Ergebnisse einer international vergleichenden Studie über die Auswirkungen familienpolitischer Maßnahmen auf Veränderungen im Bereich privater Lebensformen vor. Wir dokumentieren den Schlussteil des Vortrages mit inhaltlichen Ergebnissen. Sie wurden in einem theoretischen Kontext entwickelt, der u. a. darauf setzt, dass der idiosynkratische Charakter nationaler sozialpolitischer Entwicklungen für ein vertieftes Verständnis unterschiedlicher Stile der Familienpolitik ernst genommen werden müsse; für die Einlösung des Anspruchs auf Vergleichbarkeit wurde deshalb eine Typisierung von Nationen nach kulturellen, geographischen und historischen Ähnlichkeiten gewählt. Franz-Xaver Kaufmann kommt zu dem Schluss, dass sich tatsächlich deutlich unterschiedliche Stile der Familienpolitik in den verschiedenen Ländern feststellen lassen, welche nach den Dimensionen explizit-implizit sowie symbolisch-effektiv typisiert werden.

Mit einem Überblick über die Ergebnisse vergleichender Forschung in der Abteilung Theorie und Verfassung des Wohlfahrtstaates stellt Manfred G. Schmidt in neun Thesen neuere Befunde der Forschung zu den Bestimmungsfaktoren und dem Leistungsprofil demokratischer Wohlfahrtsstaaten vor. Die Thesen arbeiten heraus, dass demokratische Staatsverfassungen grundsätzlich besonders günstige Rahmenbedingungen für den Auf- und Ausbau einer ehrgeizigen Sozialpolitik enthalten, wenngleich die sozialpolitischen Aktivitäten stark variieren. Untersucht werden die Bestimmungsfaktoren für das Wachstum des Sozialstaats und deren Bedeutung für Bestrebungen zum Um- oder Rückbau von Sozialpolitik, auch hier zeigen sich größere Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern. In der Bundesrepublik Deutschland häufen sich eher zahllose kleine, schrittweise erfolgende Kursänderungen, die insgesamt, so Schmidt, doch zu einer beachtlichen Lern– und Fehlerkorrekturfähigkeit geführt haben. Manfred G. Schmidt fragt, ob  der Reformspielraum in der Bundesrepublik Deutschland groß genug ist, um die wichtigsten Herausforderungen der Sozialpolitik abzuarbeiten und kommt schließlich zu der Einschätzung, dass in Deutschland ein deutliches Missverhältnis zwischen gut ausgebauter Sozialpolitik einerseits und der Vernachlässigung von anderen Politikfeldern, die für die Zukunftssicherung ebenso wichtig sind, bestehe. Schmidt formuliert begründete Hoffnung für die Reformfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland, die, wenn auch im einzelnen strittig, bislang doch zu größeren Korrekturen fähig war als andere Regime, beispielsweise die der ehemals sozialistischen Wohlfahrtsstaaten. Abschließend verweist Manfred G. Schmidt auf die doppelte Wirkung der Sozialpolitik, zugleich Problemlöser und Problemerzeuger, Nutzenstifter und Kostenverursacher zu sein.

Die in den Beitragen angesprochenen sozialpolitischen Problemlagen spiegeln sich auch in den Tagungsberichten und Veranstaltungsankündigungen in diesem ZeS report wider. Ergänzt um Literaturhinweise und Informationen zu neuen Projekten so wie weiteren Nachrichten wird damit der Blick auf die aktuellen Arbeiten des Zentrums für Sozialpolitik abgerundet.

(Gisela Hegemann-Mahltig)