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Presse- und Kurzmitteilungen der Abteilung "Lebenslauf, Lebenslaufpolitiken und soziale Integration".

Foto: Falk WeissFoto: Falk Weiss
Der Soziologe untersucht die Rolle von Verschwörungstheorien in der politischen Öffentlichkeit

2025 werden 14 herausragende Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur am Thomas Mann House in Los Angeles zum Thema „Across Boundaries“ arbeiten. Nils C. Kumkar wird in diesem Rahmen von Januar bis März zu Verschwörungstheorien und ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Verarbeitung der aktuellen Präsidentschaftswahl forschen.

Als das Auswärtige Amt 2016 das ehemalige Wohnhaus von Thomas Mann in Kalifornien erwarb, sollte daraus ein „Ort des Nachdenkens und der Diskussion über gemeinsame Herausforderungen unserer Zeit“ werden. Um diesen Anspruch mit Leben zu erfüllen, schreibt das Thomas Mann House unter anderem ein Residenzprogramm aus, dessen Ziel es ist, sowohl amerikanische wie auch deutsche Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner unterschiedlichster Fachrichtungen, Traditionen und Ansichten miteinander ins Gespräch zu bringen. Das Programm wird unter anderem von der Berthold Leibinger-, der Krupp- sowie der Bosch-Stiftung und dem Auswärtigen Amt gefördert.

Nils C. Kumkar studierte Soziologie und Volkswirtschaftslehre in Göttingen und an der University of California at Los Angeles. Er promovierte 2016 in Leipzig mit einer Arbeit zu den Krisenprotesten in den USA und Deutschland. Seit 2016 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am SOCIUM. Seine Forschungsschwerpunkte sind soziale Ungleichheit, neue Medien, Protest und Kritik, sowie insbesondere Rechtspopulismus und Verschwörungstheorien. Die Ergebnisse seiner Forschung vermittelt er immer wieder auch jenseits des Fachpublikums einer breiten Öffentlichkeit in Presse und Rundfunk. 2022 veröffentlichte er im Berliner Suhrkamp Verlag ein vieldiskutiertes Buch zu „Alternativen Fakten: Zur Praxis der kommunikativen Erkenntnisverweigerung“.

Link:
https://www.vatmh.org/de/tm-fellows-details/grant/612-kumkar.html

 

 


Kontakt:
Dr. Nils C. Kumkar
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 9
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58620
E-Mail: kumkar@uni-bremen.de

Eine soziologische Perspektive auf „alternative Fakten“

Begriffe wie „postfaktisch“ und „alternative Fakten“ haben Konjunktur. Sie verweisen darauf, dass ein gesellschaftlicher Kampf um die Wirklichkeit der Wirklichkeit entbrannt zu sein scheint. Die Debatte über alternative Fakten wird deshalb vor allem von psychologischen und erkenntnistheoretischen Fragestellungen dominiert. Um zu verstehen, warum „alternative Fakten“ in der gesellschaftlichen Debatte so verunsichernd wirken, reichen diese Perspektiven jedoch nicht aus. In seinem neuen Buch untersucht Nils Kumkar das Phänomen „alternative Fakten“ darum aus einer soziologischen, kommunikationstheoretischen Perspektive: Worüber streitet und verständigt man sich eigentlich, wenn alternative Fakten die Diskussionen prägen? Was ist, mit anderen Worten, ihre kommunikative Funktion?

Ausgehend von Fallstudien zu den Auseinandersetzungen um Corona, den Klimawandel und die Größe des Publikums bei der Amtseinführung Donald Trumps arbeitet das Buch heraus, dass „alternative Fakten“ nicht primär als Versatzstücke von Parallelwelten zu verstehen sind, in die sich relevante Teile der Bevölkerung zurückgezogen hätten. Vielmehr funktionieren sie als diskursive Nebelkerzen im Kontext polarisierter Debatten. Ihre zentrale Funktion ist nicht, die Menschen Falsches glauben zu lassen, sondern den Schritt von der kommunikativen Tatsachenfeststellung zur politischen Entscheidung hinauszuzögern. Sie wirken nicht als Beitrag zur Konstruktion einer alternativen Realität, sondern als kommunikative Realitätsdestruktion, die es erlaubt, wider besseres Wissen weiterzumachen wie bisher.


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„Die beharrliche Mitte“ untersucht die Vorstellungen des guten Lebens und Formen der Statusarbeit in den deutschen Mittelschichten

Trotz der verbreiteten Sorge um eine „Krise der Mittelschichten“ wissen wir erstaunlich wenig darüber, was da eigentlich in die Krise geraten ist: Wie läuft es denn in der Mittelschicht, wenn es läuft? Nils Kumkar, Stefan Holubek-Schaum, Karin Gottschall, Betina Hollstein und Uwe Schimank haben sich dieser Frage gewidmet. In ganz Deutschland haben sie lebensgeschichtliche Gespräche mit Angehörigen der deutschen Mittelschichten, sowie im Vergleich auch mit Personen aus den oberen Mittelschichten und den Unterschichten geführt. In ihrer Studie konnten sie so herausarbeiten, dass sich die Lebensführung der Mittelschichten an drei unterschiedlichen, impliziten Vorstellungen des guten Lebens orientiert: an Gemeinschaft, an Berufsstolz oder an ökonomischer Statusverbesserung. Auch wenn alle Befragten über weite Strecken ihrer Biographie alltäglich an der Sicherung oder Mehrung ihres ökonomischen Status arbeiten (müssen), unterscheidet sich ihr Erleben von Herausforderungen und Chancen systematisch danach, „wofür es sich zu leben lohnt“ – eine Erkenntnis, die für das Verständnis davon, wie die Mittelschichten auf die verschiedenen Krisen der Gegenwart reagieren, zentral sein dürfte.

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Dr. Nils C. Kumkar
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
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Die Soziologin Dr. Sonja Bastin vom SOCIUM der Universität Bremen ist als „Bremer Frau des Jahres 2021“ ausgezeichnet worden.

Die Soziologin Dr. Sonja Bastin von der Universität Bremen ist als „Bremer Frau des Jahres 2021“ ausgezeichnet worden. Damit gehört sie zu 11 Bremerinnen, die diese Ehrung erhalten haben. Mit der Auszeichnung möchte der Landesfrauenrat Bremen auf das gesamte Spektrum der systemrelevanten und lebenswichtigen Tätigkeiten von Care-Arbeiterinnen aufmerksam machen Die Verleihung fand am 8. März, dem Internationalen Frauentag, digital statt.Sonja Bastin ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen. Zu ihren Forschungsgebieten gehören Familien- und Lebenslaufdynamiken und soziale Ungleichheit. Im vergangenen Jahr hat sie aus wissenschaftlicher Perspektive auf die prekäre Situation vieler Sorgeleistender hingewiesen, immer wieder gezeigt, wie systemrelevant Care-Tätigkeiten sind und Maßnahmeempfehlungen ausgesprochen.

Forschung zu Care-Arbeit

Care-Arbeit werde beruflich wie privat vorwiegend von Frauen geleistet, so Bastin. „Die Pandemie hat verdeutlicht, dass unser Sorgesystem nicht nur ungerecht, sondern auch instabil ist.“ Bastin fordert Konsequenzen und plädiert für eine Wirtschaft, in der Klima und Care-Arbeit gesehen und nachhaltig behandelt werden. Zu diesem Zweck engagiert sie sich bei der bundesweiten Initiative „Equal Care Day“ und hat am Equal Care Manifest mitgewirkt.

Seit 1999 wählt der Landesfrauenrat Bremen die „Bremer Frau des Jahres“; 2021 stand die Wahl unter dem Motto #CoronaHeldinnen. Mit der Ehrung möchte der Verband auf das gesamte Spektrum der systemrelevanten und lebenswichtigen Tätigkeiten von Care-Arbeiterinnen aufmerksam machen.


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Dr. Sonja Bastin

Stellungnahme zur Situation von sorgearbeitenden Eltern und Kindern in Zeiten von COVID19 - und darüber hinaus

Nicht neu ist jedoch, dass die Gesellschaft nicht in ausreichendem Maße Eltern bei der Erziehungs- und Sorgearbeit unterstützt, obwohl unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem auf Kinder angewiesen ist. Gäbe es keine Familien, keine Sorgearbeitenden, würde niemand ein Geschäft betreten oder eröffnen, niemand wäre Politiker*in, würde einen Impfstoff finden oder im Alter gepflegt werden. Und es ist entsprechend unser aller Job, uns dafür einzusetzen, dass Menschen diese Aufgaben auch langfristig gut und ohne Nachteile ausüben können.   

Jetzt in der Krise hatten und haben Sorgeberechtigte viele Monate keinen oder keinen umfänglichen zuverlässigen Zugang zu externer Betreuung, Versorgung und Bildung der Kinder. Weder durch Kitas und Schulen, noch durch Großeltern und während des Lockdowns auch nicht durch Andere. Da es keine Strategie dafür gab und noch immer nicht gibt, Eltern hier ausreichend zu unterstützen, werden nicht nur die Kosten für die Sorgearbeitenden (und die Kinder) noch größer. Auch, dass es keine ausreichend transparente Kommunikation über Maßnahmen, ihr Für und Wider, gibt und stattdessen Debatten über viele andere Gesellschaftsbereiche deutlich ausführlicher und zielführender verlaufen, ist hier ein Problem. Das Vertrauen in Politik und Gesellschaft leidet sehr.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Lasten der Sorgearbeit für Frauen - Mütter-  groß ausfallen und sie häufig von ökonomischer Abhängigkeit und Altersarmut bedroht sind. Der Bremen Fond mit seiner expliziten Gender-Komponente ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber auch hier konzentriert sich die Gleichstellung bisher darauf, Frauen in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Dieses Ziel vernachlässigt die Frage danach, wie wir die Kosten der Sorgearbeit stärker unter allen gesellschaftlichen Akteur*innen aufteilen.

Vereinbarkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ohne Sorgearbeit bricht unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem zusammen. Familien wurden vor der Krise und erst Recht im Laufe der Krise unzureichend unterstützt und auch aktuell sind wir weit davon entfernt uns tragfähigen Konzepten gegenüberzusehen.

Offene Probleme aktuell und bei weiteren Schließungen:

  1. Das Virus ist nicht weg. Es ist für Eltern keine Perspektive erkennbar, wie sie mit weiteren Betreuungs- und Bildungsengpässen umgehen können (Personalnot, vermehrte Krankheitstage der Kinder, erneute Schließungen durch Infektionsfälle in der Einrichtungen oder bei einer “zweiten Welle”). 
  2. Es gibt weiter keinen Regelbetrieb in den Betreuungseinrichtungen. Auf diesen Regelbetrieb haben sich die Eltern verlassen und ihre Erwerbstätigkeit darauf abgestimmt. Insbesondere für Alleinerziehende ist die Situation untragbar.
  3. Für Familien mit Mitgliedern aus der Risikogruppe, für die das Risiko einer externen Betreuung zu hoch ist, gibt es bisher keine alternativen Lösungen.
  4. Die pädagogische Arbeit wird durch die Hygienemaßnahmen beeinträchtigt (zum Beispiel die Erziehungspartnerschaft zwischen Erzieher*innen und Eltern). Insbesondere Kinder aus bildungsfernen Haushalten leiden langfristig unter dem Wegfall von Präsenzlernen in Krippen, Kindergärten und Schulen.
  5. Hohe Belastungen in den Familien gehen auf Kosten der Kinder (z. B. Vernachlässigung und Gewalt in Familien).
  6. Der Lohnersatz bei fehlender Betreuung ist als Instrument der finanziellen Kompensation und Erwerbsabsicherung unzureichend und für viele Familien nicht nutzbar.
  7. Es gibt keine ausreichenden Maßnahmen, um die Langzeitfolgen, die aus der zusätzlich geleisteten Sorgearbeit entstehen, aufzufangen.
  8. Unzureichende Kommunikation. Familien wird nicht ausreichend vermittelt, dass die Politik diese Probleme als gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahrnimmt und in diesem Sinne an Lösungen arbeitet.


Wir fordern tragfähige Konzepte zum Umgang mit bestehenden und kommenden Problemlagen von Kindern und sorgearbeitenden Eltern.

Insbesondere fordern wir ein Gremium, das sich dieser Probleme annimmt und das auf Grundlage der bestehenden kurz-, mittel-, und langfristigen Lösungsvorschläge transparent tragfähige Konzepte für die Kinder und sorgearbeitenden Eltern im Land Bremen entwirft.

Dieses Gremium muss neben der Erarbeitung weiterer Lösungsansätze und Strategien bspw. dazu Stellung nehmen, inwiefern die bereits wissenschaftlich und medial vorliegenden Lösungsansätze diskutiert wurden und wer sich um eine zügige Umsetzung der Maßnahmen kümmert. Diese Lösungsansätze sind beispielsweise Ausweitung der Lohnfortzahlung, ein Corona-Elterngeld, umfangreiche Teststrategien, mehr Ressourcen für schlechter gestellte Familien, kreative Schaffung personeller und räumlicher Ressourcen für Betreuungs- und Bildungseinrichtungen (inkl. Außenflächennutzung), Bezuschussung haushaltsnaher Dienstleistungen, Berücksichtigung in der Alterssicherung.

Ziel muss sein, dass politische Maßnahmen, unter anderem auch im Rahmen des „Bremen-Fonds zur Bewältigung der Corona Folgen“, anerkennen, dass sorgearbeitende Eltern und Kinder die Basis von Wirtschaft und Gesellschaft sind. Die Bereiche Pädagogik, Familienforschung, Kinderpsychologie, Gleichstellung der Geschlechter bzw. Gleichstellung von Menschen mit und ohne Sorgeaufgaben und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind durch Expert*innenstimmen sowie Vertreter*innen der Bildungseinrichtungen und der Elternverbände zu repräsentieren. Auch beim Hinzuziehen weiterer gutachterlicher Unterstützung hat der Senat auf eine entsprechende Repräsentanz dieser und weiterer Bereiche zu achten, damit nicht Stimmen aus der Wirtschaft überwiegen und einmal mehr vergessen wird, dass es die (gewerkschaftlich nicht organisierte) Sorgearbeit der Familien ist, auf die die Wirtschaft angewiesen ist.  

Wir fordern zudem, dass Landespolitiker*innen diese Haltung ebenfalls öffentlich demonstrieren. Auch und insbesondere im transparenten Dialog mit der Bundespolitik. Und sich weit über die Krise hinaus offensiv für eine faire Verteilung und Aufwertung von privater Sorgearbeit einsetzen.  

Das Problem ist nicht, dass es keine Lösungen gibt, sondern, dass sich niemand mit angemessenen Ressourcen transparent um Lösungen bemüht.

Eben dies ist jedoch im Sinne eines nachhaltigen und krisensicheren Neustarts notwendig.

Artikel im Weser-Kurier (11. Juli 2020)

Bericht bei Buten und Binnen (11. Juli 2020)

Dr. Sonja Bastin, Familien- und Lebenslaufsoziologin
Dr. Katharina Lutz, Familien- und Lebenslaufsoziologin


Die Stellungnahme entstand nach Vorgesprächen mit der Zentralelternvertretung Bremen (ZEV), der Landesbeauftragten für Frauen Bettina Wilhelm und der bundesweit aktiven Elterninitiative “Familien in der Krise”.


Kontakt:
Dr. Sonja Bastin

Lara Minkus und Moritz Heß mit „Best Paper Award 2020“ ausgezeichnet

Ist familiäre Pflege ein Einkommensrisiko für diejenigen, die diese Pflegearbeit nebenbei leisten? Und wenn ja, ist das Risiko für Frauen größer? Zwei wichtige Fragen der Pflegeforschung, für die es bislang kaum fundierte Antworten gab. Lara Minkus und Moritz Heß aus dem SOCIUM haben dazu zusammen mit Ulrike Ehrlich vom Deutschen Zentrum für Altersfragen, Berlin, im Dezember 2019 in der Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie einen Aufsatz veröffentlicht, den die Deutsche Gesellschaft für Demographie nun mit dem „Best Paper Award 2020“ ausgezeichnet hat.

Familiäre Pflege, also das Pflegen Angehöriger zu Hause privat und unentgeltlich, so das Ergebnis der Untersuchung, ist in der Tat dann ein Einkommensrisiko. Allerdings ist das Risiko bei beiden Geschlechtern ähnlich. Frauen, die ohnehin für gleiche Arbeit weniger verdienen, werden bei Pflegetätigkeit in ihrem Hauptberuf nicht auch noch überproportional benachteiligt. Das Papier kommt zu klaren Empfehlungen für Politik und Arbeitgeber: Pflegearbeit kann nicht einfach nebenbei erledigt werden. Das sollte sich in zweierlei widerspiegeln: bezahlbaren Angeboten für professionelle Hilfe und Pflegedienstleistungen sowie flexible Gestaltung der Arbeitsplätze jener Menschen, die zusätzliche familiäre Pflegearbeit übernehmen.

Link zum Artikel: Springer Link

Link zur Deutschen Gesellschaft für Demographie: DGD

Kontakt:
Lara Minkus, Ph.D. /Dr. Moritz Heß
Universität Bremen
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville Str. 5
28359 Bremen
Tel.: 0421/218-58525
E-Mail: mhess@uni-bremen.de

 

DFG fördert den Aufbau eines Bereichs für ethnographische Forschungsdaten.

QUALISERVICE erhält weitere Förderung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, um nun auch ethnographische Forschungsdaten wie Bild- und Tonmaterial, Feldnotizen und Beobachtungsprotokolle zu kuratieren. Dafür beteiligte sich QUALISERVICE am Folgeantrag des Fachinformationsdienstes Sozial- und Kulturanthropologie (FID SKA) an der Humboldt-Universität Berlin, der jetzt von der DFG bewilligt wurde. QUALISERVICE wird als Fachrepositorium für qualitative ethnologische Forschungsdaten etabliert, um deutschlandweit eine adäquate Lösung für die komplexe Archivierungssituation der zum Teil hochsensiblen Forschungsdaten anbieten zu können. Dazu wird bei QUALISERVICE ein Bereich für ethnographische Forschungsdaten aufgebaut und ein Informations- und Beratungsangebot eingerichtet. Sozialforscherinnen und Sozialforscher sowie Ethnologinnen und Ethnologen erhalten damit eine verlässliche Anlaufstelle, in der sie ihre qualitativen Forschungsdaten archivieren und für die geschützte Weiternutzung in Forschung und ausgewählte Materialien auch für die Lehre anfordern können. Die Humboldt-Universität wird die Diskussion mit den ethnologischen Fächern auf wissenschaftspolitischer Ebene und hinsichtlich methodischer Implikationen weiterführen.

Seit letztem Jahr fördert die DFG das Infrastrukturprojekt QUALISERVICE zur Implementation eines Datenservicezentrums (DSZ) für qualitative sozialwissenschaftliche Forschungsdaten. Ziel ist die Verstetigung als nationales Regelarchiv. Bislang lag der Arbeitsschwerpunkt von QUALISERVICE auf qualitativen Interviewstudien. Mit der Beteiligung am Fachinformationsdienst Sozial- und Kulturanthropologie (FID SKA) werden die Dienstleistungen von QUALISERVICE auf qualitative Forschungsdaten in ihrer ganzen Breite ausgeweitet.

QUALISERVICE ist am SOCIUM angesiedelt und wird von Prof. Dr. Betina Hollstein geleitet. Der vom MARUM und dem Alfred-Wegener-Institut gemeinschaftlich betriebene PANGAEA - Data Publisher for Earth & Environmental Science liefert die informationstechnische Unterstützung. Weitere Projektpartner sind die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (SuUB) und das GESIS Leibniz Institut für Sozialwissenschaften, Köln (für Mixed-Methods-Daten).

Weitere Informationen:
Website QUALISERVICE

Fachinformationsdienst Sozial- und Kulturanthropologie - Projekt im Rahmen des Förderformats "Fachinformationsdienste für die Wissenschaft" der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Fachinformation und Service für die ethnologischen Fächer, Pressemitteilung der HU Berlin vom 22.01.2019


Kontakt:
Prof. Dr. Betina Hollstein
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 9
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58512
E-Mail: betina.hollstein@uni-bremen.de

Ein neuer Sammelband widmet sich der Mitte als Kampfzone.

Über die sozialen Mittelschichten westlicher Gesellschaften wird seit rund drei Jahrzehnten intensiv debattiert. Neben Fragen der gesellschaftlichen Funktion einer vitalen Mittelschicht, ihrer wohlfahrtsstaatlichen Kontextualisierung und strukturellen (In-)Stabilität geht es um die Konsequenzen einer Mitte im Wandel, die in jüngerer Zeit als durch Abstiegsängste und Statuspaniken geprägt gilt: revidierte Selbstvergewisserungen und modifizierte Distinktionspraktiken, legitimatorische Neujustierungen und bisher unbekannte Allianzbildungen.

In 17 Beiträgen ausgewiesener Mittelschichtsforscherinnen und Mittelschichtsforscher wird in diesem von Sabine Ritter und Nadine M. Schöneck herausgegebenen Sammelband ein breites Spektrum historischer, politologischer, ökonomischer und soziologischer Auf- und Einsichten im Hinblick auf Genese, Lage, Wertorientierungen und Normalitätskonstruktionen, Abgrenzungen und Ausschlüsse, Befindlichkeiten und Handhabungen der sozialen Mittelschichten in Deutschland geboten.

Wer sich dieser Lektüre stellt, wird besser verstehen, warum der Mittelschichtsgesellschaft ein besonderer Nimbus anhaftet, warum sie sich gegenwärtig in einem lange Zeit unbekannten Kampfmodus befindet und was das für den sozialen Zusammenhalt bedeutet: Die Mitte stellt den Sehnsuchtsort all jener dar, die auf sozialen Aufstieg hoffen. Wenn sie selbst in massive Turbulenzen gerät, hat dies Auswirkungen auf die gesellschaftliche Stabilität.

Sabine Ritter ist Universitätslektorin am Institut für Soziologie sowie Studiendekanin des Fachbereichs Sozialwissenschaften. Nadine M. Schöneck ist Professorin für Soziologie und Empirische Sozialforschung an der Hochschule Niederrhein und Lehrbeauftragte am Institut für Soziologie der Universität Bremen.

Weitere Informationen:
Schöneck, Nadine M./Ritter, Sabine (Hrsg.) 2018: Die Mitte als Kampfzone. Wertorientierungen und Abgrenzungspraktiken der Mittelschichten, Bielefeld: transcript


Kontakt:
Dr. Sabine Ritter
Fachbereich 8
Mary-Somerville-Str. 9
28359 Bremen
Tel.: 49 421 218-67310
E-Mail: sritter@uni-bremen.de

Lara MinkusLara Minkus
Das ist das Ergebnis einer Studie der Soziologin Lara Minkus aus dem SOCIUM, gemeinsam veröffentlicht mit zwei Kollegen aus Florenz und Magdeburg.

Die Studie geht der Frage nach, ob und wie sich durch die Wahl Trumps die Unterstützung für die Europäische Union in Europa verändert hat. Das Ergebnis: Die Europäerinnen und Europäer sehen die EU positiver - interessanterweise vor allem diejenigen, die sich im politischen Spektrum rechts der Mitte verorten. Für die Untersuchung dieses Einstellungseffekts machten sich die Autoren zunutze, dass die Wahl Trumps mitten in die Erhebung einer Eurobarometer-Umfrage fiel. Mit den Eurobarometern erkundet die EU-Kommission regelmäßig die öffentliche Meinung der EU-Bürgerschaft, so auch im November 2016. Etwa die Hälfte der Interviews wurde vor der Trump-Wahl durchgeführt, die andere Hälfte danach. "Da der Wahlerfolg von Trump so überraschend kam und die Zuweisung der Befragten zu einem Interviewtermin vor oder nach der Wahl rein zufällig erfolgte und nicht von den jeweiligen politischen Voreinstellungen der Personen abhing, kommt dieser Umstand einem sogenannten natürlichen Experiment recht nahe", sagt Autorin Lara Minkus. Gemeinsam mit dem Soziologen Emanuel Deutschmann (European University Institute Florenz) und Jan Delhey, Professor für Makrosoziologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, hat sie festgestellt: Eine Veränderung in der Unterstützung für die EU nach der Präsidentschaftswahl muss folglich ein "Trump-Effekt" sein.

EU bei der politischen Rechten beliebter

Die EU erfährt nach der Trump-Wahl mehr Unterstützung durch die Bevölkerung. Allerdings verteilt sich dieser Anstieg ungleichmäßig, wenn man nach politischer Orientierung unterteilt. Dann sieht man, dass es vor allem diejenigen sind, die sich politisch rechts der Mitte einstufen, bei denen dieser Trump-Effekt messbar ist. Bei der politischen Mitte und den Linken hat sich die Unterstützung der EU zwar auch leicht erhöht, aber noch im statistischen Zufallsbereich. Was steckt bei den eher rechts-konservativen Bürgerinnen und Bürgern dahinter, fragten sich die Autoren. Hier können sie nur spekulieren. Am plausibelsten sei es, dass die Trump-Wahl in diesen politischen Kreisen die Hoffnung genährt hat, die EU in Richtung eines "Europas der Nationen" zu entwickeln, das sich stärker nach außen abschottet und eine protektionistischere Machtpolitik verfolgt, sagt Lara Minkus. "Ob dieser "Trump-Effekt" im rechten Spektrum nur vorrübergehend war oder von Dauer, werden die nächsten Europawahlen im Mai kommenden Jahres zeigen."

Weitere Informationen:
Minkus, Lara; Deutschmann, Emanuel; Delhey, Jan, 2019: A Trump Effect on the EU’s Popularity? The U.S. Presidential Election as a Natural Experiment, in: Perspectives on Politics, online-first, S. 1 - 18,  doi:10.1017/S1537592718003262


Kontakt:
Lara Minkus

DFG fördert Infrastrukturprojekt mit 1 Million Euro.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft bewilligt die Implementation von QUALISERVICE als Datenservicezentrum (DSZ) für qualitative sozialwissenschaftliche Forschungsdaten. Damit ist der Weg geebnet, dass Sozialforscherinnen und Sozialforscher in Deutschland erstmals eine verlässliche Anlaufstelle erhalten, um Interviewdaten archivieren und für die Sekundärnutzung in Forschung und Lehre anfordern zu können.

QUALISERVICE ist am SOCIUM angesiedelt und wird von Prof. Dr. Betina Hollstein geleitet. Als informationstechnischer Projektpartner konnte der vom MARUM und dem Alfred-Wegener-Institut gemeinschaftlich betriebene PANGAEA - Data Publisher for Earth & Environmental Science gewonnen werden. Weitere Projektpartner sind die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (SuUB) und das GESIS Leibniz Institut für Sozialwissenschaften, Köln für die wechselseitige Darstellung von Mixed-Methods-Daten.

Die Wurzeln des Projekts reichen bis zum ersten sozialwissenschaftlichen Bremer Sonderforschungsbereich 186 "Statuspassagen und Risikolagen im Lebensverlauf" (1989-2001). Die im Rahmen des SFB durchgeführten, mehreren hundert Interviews wurden zunächst im "Archiv für Lebenslaufforschung" archiviert, um sie für zukünftige Nutzungen zu sichern. 2011 wurde das "Archiv für Lebenslaufforschung" zu QUALISERVICE, das zwischen 2011 und 2014 in einer ersten Projektphase von der DFG gefördert wurde. Ziel des nun bewilligten, auf drei Jahre angelegten, interdisziplinären Verbundprojekts ist die Verstetigung als nationale Regeleinrichtung.

Die Maßnahmen im Rahmen des Infrastrukturprojekts umfassen neben der Einrichtung eines Safe Centers zur vertraulichen Datenaufbereitung und der Implementation der Langzeitarchivierung die Weiterentwicklung des Anonymisierungstools, die Einrichtung des Servicezentrums mit Suchportal, Datenabgabedienst und Helpdesk, den Aufbau der Geschäftsstelle sowie Maßnahmen zur Qualitätssicherung und den Austausch mit der Scientific Community.

Weitere Informationen über QUALISERVICE


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Susanne Kretzer