Pflegeökonomie- und politik
Allgemeine Informationen
Die Arbeitsgruppe Pflegeökonomie- und politik erforscht die Voraussetzungen für eine effiziente (Langzeit-)Pflege, welche sich an der Bedarfsgerechtigkeit orientiert und soziale Ungleichheit im Leistungszugang möglichst vermeidet. Unter Effizienzgesichtspunkten geht es darum, Gestaltungsspielräume zu eruieren und dafür zu nutzen, ein effektives und qualitativ hochwertiges pflegerisches Versorgungssystem zu gestalten. Auch die Bereitstellung einer gerecht finanzierten Pflegeversicherung für die gesamte Bevölkerung ist ein Ziel, welches private Märkte nur mit Hilfe von flankierenden sozialpolitischen Maßnahmen erreichen.
In Gesundheitssystemen als Teil des Wohlfahrtsstaats stehen Gerechtigkeit und die Vermeidung sozialer Ungleichheit im Vordergrund. Hierzu zählt zunächst die Finanzierungsgerechtigkeit mit dem Ziel, dass gleiche Leistungsfähigkeit zu gleichen Beiträgen und höhere Leistungsfähigkeit zu höheren Beiträgen führen soll (horizontale und vertikale Gerechtigkeit). Auf der Ergebnisseite ist zusätzlich zur weitgehenden Vermeidung von Pflegebedürftigkeit für die gesamte Bevölkerung auch die Vermeidung von ungleichen Pflegewahrscheinlichkeiten angestrebt. Vor diesem Hintergrund stehen Pflege und Pflegebedürftigkeit nicht allein, sondern stehen im Zusammenhang mit (Arbeits-)Belastungen des täglichen Lebens und mit dem Grad der bedarfsgerechten medizinischen Versorgung. Der Zugang zur pflegerischen Versorgung und zur sozialstaatlichen Unterstützung kann durch vielerlei Faktoren behindert sein (z. B. Informationsdefizite, Kommunikationsschwierigkeiten, eingeschränkte Mobilität). Aufgabe eines Sozialstaats, der sich nach Bedarfsgerechtigkeit richtet, muss es daher sein, entsprechende Personen im Zugang zu den Versorgungsleistungen zu unterstützen. Die Forderung nach einer gerechten Versorgung schließt auch eine wohnortnahe Versorgung mit ein. Ein weiterer Bestandteil von Pflegepolitik im Sinne von Sozialpolitik ist die Aufklärung der Pflegebedürftigen oder/und der pflegenden Angehörigen um Zugangsbarrieren zu den Pflegesystemen zu überwinden und eine mögliche häusliche Pflege qualitativ hochwertig zu gestalten.
Unsere Forschung in den Schwerpunkten Pflegeökonomie, Pflegepolitik und Pflege-Versorgungsforschung unterstützt (a) die Suche nach den Ursachen von Ineffizienz und Ungleichheit in den Strukturen, Institutionen und Anreizen von Pflege-Versorgungssystemen, (b) das Verstehen der jeweiligen Ursachen, um ein systembedingtes Wiederauftreten zu vermeiden und (c) die Gestaltung von politischen Entscheidungen und Maßnahmen durch Empfehlungen auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen. Exaktere Konzepte und Werkzeuge dienen dazu, den Erfolg und die Leistungsfähigkeit einzelner politischer Maßnahmen und ganzer pflegerischer Versorgungssysteme zu messen. Um diesem komplexen Forschungsgebiet gerecht zu werden, bedarf es multidisziplinärer und vergleichender Ansätze, die eine umfassende Analyse aus einer Vielzahl von Betrachtungswinkeln erlauben.
Pflegeökonomie
Während die Gesundheitsökonomie ein noch junges, aber gleichwohl als Teildisziplin der Ökonomie anerkanntes Gebiet ist, kann dies für die Pflegeökonomie nicht gesagt werden. Dieser Bereich der (Langzeit-)Pflege ist aber von erheblicher ökonomischer Potenz und bedarf wirtschaftswissenschaftlicher Analysen. Die Besonderheiten des Feldes - etwa die besondere Rolle der Familie in der Langzeitpflege - führen dazu, dass Erkenntnisse aus dem Gesundheitswesen nicht ohne weiteres auf den Pflegebereich übertragen werden können. Somit beschäftigt sich der Schwerpunkt Pflegeökonomie natürlich mit der Finanzierung der pflegerischen Versorgung und der Entwicklung der Pflegeausgaben vor dem Hintergrund unterschiedlicher Finanzierungsarten und der daraus resultierenden finanziellen Belastungen der Bevölkerung im Lebensverlauf. Desweiteren beschäftigt sich die Pflegeökonomie aber auch mit der Bedarfsplanung des Pflegepersonals im Hinblick auf die demografische Alterung der Gesellschaft und mit der Entwicklung des familialen Pflegepotentials.
Die Entwicklung einer eigenständigen Pflegeökonomie ist sinnvoll und soll in Bremen vorangetrieben werden. Dabei kann auf die guten Arbeitskontakte zum Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften/FB 11, insbesondere zur Abteilung interdisziplinäre Alters- und Pflegeforschung des Instituts für Public Health und Pflegeforschung (IPP), aufgebaut werden. Weiterhin ist die Abteilung bereits in die Arbeitsgruppe Pflegeökonomie der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten regionalen Pflegeforschungsverbünde eingebunden. Laufende Projekte beschäftigen sich dabei u.a. mit den Ursachen und Entwicklungen von Pflegebedürftigkeit (BARMER GEK Pflegereport), der Effektivität und Effizienz einer Einführung der Resident Assessment Instruments (RAI) in der ambulanten Altenpflege und mit der Vergütung von Pflegeheimen.
Pflegepolitik
Der Schwerpunkt Pflegepolitik beschäftigt sich sowohl mit der Analyse der international unterschiedlichen Ausgestaltung der Pflegesysteme als auch mit der Weiterentwicklung des deutschen Pflegeversicherungssystems. Hierbei geht es u. a. um die Diskussion, inwieweit bestimmte Sozialstaatsprinzipien im Vordergrund stehen oder nachrangig eingestuft werden (sollen). Im Vergleich zur Struktur der medizinischen Versorgung durch niedergelassene Ärzte oder durch Krankenhäuser ist beispielsweise das Bedarfsdeckungsprinzip oder der Grad der Selbstverwaltung deutlich geringer ausgeprägt. Im Fokus stehen aber auch die Politikfolgenforschung (beispielsweise die Evaluation der Qualitätsprüfungsprozesse in der stationären Altenpflege (Pflegenoten)) und die Politikberatung (beispielsweise bezüglich der Implementierung von Begutachtungsverfahren in der Pflege (Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff)).