Das 8. Thesenpapier erweitert die bewährte Dreiteilung Epidemiologie, Prävention und Gesellschaftspolitik um ein vorangestelltes Kapitel, das ein konzeptionelles Verständnis der Epidemie vorschlägt, das sich von der gängigen, biologistisch-linearen Sichtweise abhebt. Insgesamt werden vier Themen behandelt:
- die Pandemie als komplexes System,
- Steuerung durch Indikatoren und Entwicklung eines Indikatoren-Sets,
- Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie,
- Politik und Demokratie unter Pandemie-Bedingungen.
Das Thesenpapier 8 versucht mehr Perspektive, in erster Linie durch den Vorschlag eines
Konzeptes für das Verständnis der Pandemie, in zweiter Linie durch den Vorschlag eines zur Steuerung geeigneten Indikatoren-Sets, drittens durch nochmalige Vertiefung des Wissenstandes zu den Kindern und Jugendliche in der Pandemie, und viertens durch den Versuch einer politischen Deutung, zu bieten.
Zusammenfassung:
Als Konzept wird vorgeschlagen, das die Epidemie als komplexes System gesehen werden soll. Die einzelnen Personen stellen die Elemente des Systems dar, die Infektion als eine Form der Interaktion, die Infektionsvorgänge als Resultante von Virus-, Wirts- und Umgebungseigenschaften nach den in komplexen Systemen durchaus vorhandenen, jedoch nicht sichtbaren Regeln dieser Interaktion. Ein erfolgsorientiertes Umgehen mit einer Epidemie erfordert die Kenntnis der wesensmäßígen Eigenschaften (Attraktoren, z.B. Altersabhängigkeit), die Erweiterung der Kenntnisse durch iterative Interventionen (z.B. Evaluation der Schulschließungen), und als Grundlage aller Anstrengungen gesellschaftliches Selbstbewusstsein und Offenheit gegenüber unterschiedlichen Lösungsansätzen.
Ein konkreter Vorschlag für ein multidimensionales Indikatoren Set zur Steuerung wird vorgestellt, das basierend auf dem Entwurf der Deutschen Krankenhaus Gesellschaft eine Altersstratifizierung und weiterhin eine nach Impfstatus, Komorbidität, sozioökonomischen Faktoren und Positivitätsrate nebst Testfrequenz spezifizierte Melderate in den Mittelpunkt stellt. Weiterhin werden Outcome-Indikatoren wie die (ebenfalls nach Komorbidität und Impfschutz spezifizierte) Hospitalisierung, Intensivbelegung und Beatmungspflichtigkeit herangezogen. Allerdings ist eine politische Linie beim Übergang in multidimensionale Steuerungssysteme derzeit nicht erkennbar.
Kinder und Jugendliche haben während der Pandemie einen erheblichen Beitrag für die Gesellschaft geleistet und dabei selbst gravierende Nachteile in Kauf genommen. Bei allen Maßnahmen, die künftig gelten werden, ist ihr Wohl vorrangig zu berücksichtigen.
Statt Linearität und Unterordnung sind heute Autonomie, Ambiguität bzw. VUCA (variability, uncertainty, complexity, ambiguity) die Worte, die in der Politik umzusetzen sind.
Kontakt:
Prof. Dr. Gerd Glaeske (verstorben)
Prof. Dr. Philip Manow