Portrait Gerd GlaeskePortrait Gerd Glaeske
Abschließende Bewertung innovativer Arzneimittel der Jahre 2013 bis 2020 in der Versorgungsrealität

Neue Arzneimittel: nicht innovativ, trotzdem verordnet

Der Innovationsreport 2021 macht aus Sicht von Professor Dr. Gerd Glaeske die Schwachstellen in der Arzneimittelforschung deutlich. „Es kommen zu wenig Arzneimittel auf den Markt, von denen Patient*innen wirklich profitieren. Dennoch werden die von uns als nicht innovativ bewerteten Medikamente verordnet. Das Missverständnis, dass „neu“ automatisch auch „innovativ“ im Sinne eines verbesserten Patient*innennutzens bedeutet, muss endlich ausgeräumt werden. Wir sehen: Der Nutzen von Medikamenten bleibt oft unbestimmt oder marginal, die Preise steigen dagegen exorbitant.“ Eine Auswertung von TK-Daten zu in den vergangenen Jahren neu auf den Markt gekommenen Medikamenten zeigt: 62 % der verordneten Tagesdosen sind anhand der Bewertung nicht innovativ, nur neun Prozent der verordneten Tagesdosen entfallen auf echte therapeutische Fortschritte.

Preisanstieg von über 1.000 Prozent

Eine weitere Zahl aus acht Jahren Innovationsreport bewertet, wie die neuen Arzneimittel der Jahre 2010 bis 2017 sich im Markt bewährten: Der durchschnittliche Packungspreis dieser Medikamente ist um fast 1.200 % gestiegen. „Patentgeschützte Arzneimittel sind hierzulande im internationalen Vergleich zu teuer“, so Glaeske. Das im Jahr 2011 in Kraft getretene Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zeige zwar Wirkung, habe aber weiterhin Schwächen, die die Politik dringend angehen müsse. „Es ist ein Fehler im System, dass die Unternehmen die Kosten bei Markteintritt frei und völlig intransparent festlegen können. Ist ein extrem hoher Preis auf diesem Weg erst einmal etabliert, setzt dieser die Marke für die nachfolgenden Medikamente, da die Kosten anhand der Vergleichstherapie bestimmt werden – ein Teufelskreis“, sagt Glaeske. Sogenannte Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Erkrankungen sollten bei der Zulassung nicht länger den Vorzug haben, dass ihr Zusatznutzen im Vergleich zu anderen Therapien von vornherein als belegt gilt.

Der Innovationsreport zeigt weitere Maßnahmen und ihre Einsparpotenziale für die GKV auf. „Die Ausgaben im Arzneimittelbereich steigen kontinuierlich – es ist klar, dass etwas passieren muss, kurz- wie langfristig. Wir brauchen faire Preise für neue Arzneimittel, die sich an ihrem tatsächlichen Nutzen und den tatsächlichen Forschungskosten orientieren“, sagt auch Dr. Jens Baas, der Vorstandsvorsitzende der TK.

Download Innovationsreport 2021


Kontakt:
Prof. Dr. Gerd Glaeske (verstorben)