Am 05.05.2021 wurde im Gesundheitsausschuss des Bundestages in einer öffentlichen Anhörung über mehrere Anträge der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE diskutiert. Sie beschäftigen sich neben der menschenrechtskonformen Gestaltung der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen vor allem mit einer besseren finanziellen Absicherung von pflegenden An- und Zugehörigen.
Zur besseren Absicherung während der Erwerbsphase beantragte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Stärkung der Vereinbarkeit von Angehörigenpflege und Beruf zu gewährleisten. Antrag PflegeZeit Plus
Hierzu soll durch mit der PflegezeitPlus eine Lohnersatzleistung analog zum Elterngeld eingeführt werden. Durch sie können erwerbstätige Personen ihre Arbeitszeit während der Übernahmen von Pflegetätigkeiten um maximal die Hälfte einer Vollzeitstelle reduzieren. Dafür soll ihnen für maximal 36 Monate eine Lohnersatzleistung in Höhe von 67% des entgehenden Nettolohns gewährt werden.
Um eine bessere Absicherung nach der Erwerbsphase herzustellen beantragte die Fraktion DIE LINKE einen Ausbau der Rentenversicherungsansprüche für pflegende Angehörige.
Dazu sollen die Rentenversicherungsbeiträge erhöht und für alle Pflegepersonen – unabhängig von Erwerbstätigkeit oder Rentenbezug – verbindlich abgeführt werden. Antrag Rentenplus
Professor Heinz Rothgang wurde als Sachverständiger um seine Einschätzung der gestellten Anträge gebeten. Er betont in seiner Stellungnahme, dass die verbesserte finanzielle Absicherung von Pflegepersonen zur Stabilisierung informeller Pflegepotenziale dringend geboten ist, die konkreten Umsetzungsvorschläge dafür aber nicht uneingeschränkt empfohlen werden können. Die PflegezeitPlus stellt als Lohnersatzleistung einen Bezug zu dem durch Pflegeübernahme entstehenden Einkommensverzicht her. Dies kann einer effiziente Ressourcenallokation zuwiderlaufen, da implizit die Leistungserbringung durch überqualifizierte Personen angereizt wird. Dies ist nur dann zu fördern, wenn hierdurch als gesamtgesellschaftlicher Wert die Pflege durch bestehende Bezugspersonen betont werden soll. Diese Problematik kann umgangen werden, indem die erforderlichen Finanztransfers stattdessen relativ zu verbindlichen Leistungsübernahmen festgelegt werden, deren Bewertung über das Postulat gleicher Entlohnung für gleiche Arbeit erfolgen kann. Die vorgeschlagenen Änderungen in Bezug auf Rentenansprüche sind als einfacher und – insbesondere für schon verrentete Personen – gerechter zu bewerten, wenn damit eine Ausweitung der Honorierung von Pflegeübernahme erfolgen soll. In Bezug auf die Absicherung gegen pflege(übernahme)bedingte Altersarmut, gehen die vorgeschlagenen Regelungen über das erforderliche Maß hinaus.
Kontakt:
Prof. Dr. Heinz Rothgang
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 3
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58557
E-Mail: rothgang@uni-bremen.de