Knapp 85 Prozent aller Patientinnen und Patienten über 65 Jahre werden in Deutschland nach einem Schlaganfall entweder rehabilitativ oder mit Heilmitteln behandelt. Allerdings klaffen weiterhin Lücken bei der ganzheitlichen und interdisziplinären Versorgung im Krankenhaus. So wird nur gut jeder Zweite auf einer speziellen Schlaganfallstation, einer sogenannten Stroke Unit, behandelt. Im Jahr 2012 bekam nur gut die Hälfte der über 65-jährigen Schlaganfallpatienten eine neurologische Komplexbehandlung, die auf einer Spezialstation unter anderem mit Neurologen, Logopäden und Physiotherapeuten erfolgt. Bei einem Schlaganfall kommt es auf Minuten und eine sehr individuelle Behandlung an, die eine Spezialstation am besten leisten kann. Hier scheinen noch Verbesserungen in der Akutversorgung des Schlaganfalls möglich zu sein.
Von den betroffenen Schlaganfallpatienten bekamen 54,7 Prozent eine neurologische Komplexbehandlung und 7,1 Prozent eine Frührehabilitation im Krankenhaus. 90,8 Prozent der Patienten überlebten ihren Schlaganfall dank der guten medizinischen Versorgung in den Kliniken. Erstaunlich ist, dass lediglich 38,7 Prozent dieser Patienten eine Rehabilitation begannen, überwiegend direkt nach dem Klinikaufenthalt. In den ersten drei Monaten nach dem Krankenhausaufenthalt bekamen 21 Prozent der Patienten eine normale und 14,5 Prozent eine spezielle Krankengymnastik verordnet, 11,6 Prozent eine Ergotherapie.
Mangelhafte Therapie-Leitlinien
Die rehabilitative Versorgung nach einem Schlaganfall erscheint überwiegend kurzfristig ausgerichtet. In den medizinischen Leitlinien fehlen Empfehlungen, ob und unter welchen Bedingungen eine längerfristige Therapie sinnvoll ist. Eine Überarbeitung der Schlaganfall-Leitlinien wäre sinnvoll, um die Therapie, so individuell sie auch sein mag und muss, nachhaltiger anzulegen. Die Leitlinien zu den rehabilitativen Maßnahmen nach einem Schlaganfall entsprechen zu oft nicht den höchsten wissenschaftlichen Standards. Im Sinne einer bestmöglichen Patientenversorgung sind weitere Studien erforderlich, um die Leitlinien zur rehabilitativen Schlaganfallbehandlung zu optimieren.
Steigende Ausgaben bei Heil- und Hilfsmitteln
Die Kosten für Heilmittel, zu denen die Physio-, Ergo- und Logopädie gehören, sind im Jahr 2014 in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um 8,1 Prozent auf 5,69 Milliarden Euro gestiegen. Bei der Barmer GEK erhöhten sich die Ausgaben um 8,2 Prozent auf 760,5 Millionen Euro. Die höchsten Ausgaben kamen dabei in der Physiotherapie mit 66,59 Euro je Versicherten (plus 7,67 Prozent gegenüber dem Vorjahr) zustande, gefolgt von der Ergotherapie mit 12,37 Euro (plus 8,48 Prozent), der Logopädie mit 8,27 Euro (plus 8,62 Prozent) und der Podologie mit 1,60 Euro (plus 17,04 Prozent).
Umfassende Nutzenbewertung erforderlich
Bei den Hilfsmitteln, zu denen etwa Rollstühle und Hörgeräte gehören, stiegen die Kosten GKV-weit um 9,4 Prozent auf 7,44 Milliarden Euro. Bei der Barmer GEK schnellten sie um 10,9 Prozent auf 836,4 Millionen Euro nach oben. Auch bei den Hilfsmitteln fehlen in vielen Bereichen Nutzenbewertungen. Es ist nicht zielführend, nur Medizinprodukte mit einer hohen Risikoklasse zu prüfen, wie es das Versorgungsstärkungsgesetz vorgibt.
Insgesamt haben im Jahr 2014 bei der Barmer GEK 1,9 Millionen Versicherte Heilmittel und 2,0 Millionen Versicherte Hilfsmittel verordnet bekommen. Das ist ein Anstieg um jeweils 3,2 Prozent innerhalb eines Jahres, der nach Einschätzung der Autoren nur schwerlich auf die demografische Entwicklung zurückgeführt werden kann.
Fakten aus dem Heil- und Hilfsmittelreport 2015
Ausgaben für Heilmittel: Mit 7,25 Prozent sind die Ausgaben für die Podologie auf rund 13,7 Millionen Euro im Jahr 2014 gestiegen. Dabei gab es massive regionale Unterschiede. Während die Ausgaben für die Fußpflege in Bremen innerhalb eines Jahres um gut fünf Prozent gesunken sind, sind sie in Brandenburg um rund 30 Prozent gestiegen. Den größten Ausgabenblock machte die Physiotherapie für rund 1,769 Millionen Versicherte mit etwa 569,6 Millionen Euro aus. Der Zuwachs lag hier bei 4,47 Prozent. 105.600 Versicherte erhielten Ergotherapie, die mit rund 105,8 Millionen Euro (plus 1,97 Prozent) zu Buche schlug. 70,7 Millionen Euro (plus 4,73 Prozent) bezahlte die Barmer GEK für logopädische Leistungen an gut 89.000 Versicherten (Report Seite 33).
Ausgaben für Hilfsmittel: Innerhalb nur eines Jahres haben sich die Ausgaben für Hörgeräte-Akustiker deutlich erhöht. Sie sind um 47,5 Prozent auf 102,1 Millionen Euro gestiegen. Vergleichsweise moderat sind die größten Kostenblöcke gewachsen. So sind die Ausgaben für Orthopädiemechaniker und Bandagisten um 8,3 Prozent auf 417,7 Millionen Euro und für sonstige Leistungserbringer wie die häusliche Krankenpflege um 3,9 Prozent auf 201 Millionen Euro angewachsen (Seite 52 ff.).
Viele Einlagen-Verordnungen, teure Inhalationsgeräte: Die am häufigsten verordneten Hilfsmittel waren Einlagen. 5,8 Prozent der Männer und 8,9 Prozent der Frauen haben sie im Jahr 2014 verschrieben bekommen. Es folgten Orthesen und Schienen für 3,3 Prozent der Männer und 4,6 Prozent der Frauen. Nur an zehnter Stelle lagen die Verordnungen von Inhalations- und Atemtherapiegeräten. Allerdings machten sie mit 119 Millionen Euro den größten Ausgabenblock bei den Hilfsmitteln aus (Seite 58).
Regionale Unterschiede: Der Report berichtet über deutliche regionale Differenzen bei der Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. So bekamen in Sachsen fast 92 Prozent der Patienten eine Physiotherapie, wenn der Arzt bei ihnen schweren Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Parkinson diagnostiziert hat. Im Saarland waren es knapp 52 Prozent (Seite 42).
Download: BARMER GEK Heil- und Hilfsmittelreport 2015
Kontakt:
Dr. rer. pol. Rolf Müller
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
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Dipl.-Soz. Friederike Höfel