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Studie zeigt positiven Effekt des bundesweiten Screening-Programms

Das vor 20 Jahren eingeführte Mammographie-Screening-Programm für Frauen von 50 bis 69 Jahren trägt deutlich zur Verringerung der Brustkrebssterblichkeit bei. Das ist das Ergebnis einer Studie, die unter Beteiligung des SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik (SOCIUM) durchgeführt und am 9. Juli 2025 bei einer Veranstaltung mit Bundesumweltminister Carsten Schneider und Bundesgesundheitsministerin Nina Warken in Berlin vorgestellt wurde. Unter den Frauen, die an dem Mammographie-Screening-Programm teilnahmen, gingen die Brustkrebstodesfälle demnach zwischen 20 und 30 Prozent zurück. Für die Untersuchung wurden Daten aus den Jahren 2009 bis 2018 ausgewertet.

Teilnahme senkt Sterberisiko

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Jede achte Frau in Deutschland erkrankt im Laufe ihres Lebens daran. Für 18.500 Frauen pro Jahr endet die Erkrankung tödlich. Ältere und nur eingeschränkt auf Deutschland übertragbare internationale Studien ließen bereits erwarten, dass sich mit einem Mammographie-Screening-Programm für Frauen von 50 bis 69 Jahren etwa 25 Prozent der Brustkrebstodesfälle vermeiden lassen.

Die vom Bundesamt für Strahlenschutz koordinierte und unter Leitung der Universität Münster zusammen mit dem Landeskrebsregister Nordrhein-Westfalen, dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS (BIPS) und dem SOCIUM durchgeführte Studie untersuchte für das deutsche Mammographie-Screening-Programm, wie stark es die Brustkrebssterblichkeit tatsächlich verringert. Die Ergebnisse bestätigen die internationalen Erkenntnisse: Von den Frauen, die am Mammographie-Screening-Programm teilnahmen, starben im Vergleich zu den Nicht-Teilnehmerinnen 20 bis 30 Prozent weniger an Brustkrebs. Es konnte also etwa jeder vierte Todesfall durch eine frühzeitige Diagnose vermieden werden. Mögliche Nachteile des Mammographie-Screenings, wie Überdiagnosen und das sehr geringe zusätzliche Krebsrisiko, das mit der Anwendung von Röntgenstrahlung bei der Untersuchung verbunden ist, waren nicht Gegenstand der Studie, sondern wurden bereits anderweitig bewertet.

Das Mammographie-Screening-Programm

Das Mammographie-Screening-Programm ist das erste systematische Krebsfrüherkennungsprogramm nach europäischen Qualitätsstandards in Deutschland und das größte Screening-Programm in Europa. Für Frauen von 50 bis 69 Jahren wurde es ab 2005 schrittweise eingeführt. Seit 2009 steht es flächendeckend zur Verfügung. Jedes Jahr nutzt etwa die Hälfte der eingeladenen Frauen das Programm. Im Juli 2024 wurde das Screening-Programm auf Frauen bis 75 Jahre ausgeweitet.

Anspruchsberechtigte Frauen erhalten alle zwei Jahre eine schriftliche Einladung zur Mammographie. Die Teilnahme ist freiwillig. Wer sich dafür entscheidet, kann die Untersuchung in einer von 95 zertifizierten Screening-Einheiten durchführen lassen. Geschulte Fachkräfte, moderne Technik und eine Begutachtung der Röntgenbilder durch zwei spezialisierte, unabhängig voneinander urteilende Ärzt*innen sorgen dabei für besonders zuverlässige Ergebnisse.

Das Mammographie-Screening-Programm richtet sich an symptomfreie Frauen. Frauen mit Symptomen oder mit vorangegangener Brustkrebserkrankung erhalten die nötigen Untersuchungen im Rahmen der regulären Krankenversorgung.

Früherkennung mit Röntgenstrahlung nur mit Zulassung

An augenscheinlich gesunden, also symptomfreien Menschen sind Röntgenuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nur dann erlaubt, wenn die Untersuchung durch das Bundesumweltministerium zugelassen wurde. Voraussetzung ist, dass der Nutzen das mit der Untersuchung verbundene Strahlenrisiko deutlich übersteigt. Für ein Mammographie-Screening-Programm für Frauen von 50 bis 69 Jahren fiel diese Bewertung Anfang der 2000er Jahre positiv aus. Seit 2018 ist das Bundesamt für Strahlenschutz für die Nutzen-Risiko-Bewertung zuständig.

Über die Studie

Die Wissenschaftler*innen verfolgten zwei parallele Untersuchungsansätze: Im sogenannten kassenbasierten Ansatz wurden Abrechnungsdaten von vier gesetzlichen Krankenkassen durch das BIPS sowie die Daten der BARMER durch das SOCIUM ausgewertet. Dadurch konnten Frauen aus dem gesamten Bundesgebiet in die Studie einbezogen werden. Im sogenannten bevölkerungsbasierten Ansatz analysierte die Universität Münster vollzählige Daten zu allen in Nordrhein-Westfalen lebenden Frauen, die im Untersuchungszeitraum Anspruch zur Teilnahme am Mammographie-Screening-Programm hatten. Dafür wurden Informationen des Landeskrebsregisters Nordrhein-Westfalen sowie des dortigen statistischen Landesamtes (IT.NRW) genutzt. Insgesamt zeigten die Ergebnisse beider Ansätze mit hoher Aussagekraft, dass die Brustkrebssterblichkeit durch das Screening um 20 bis 30 Prozent reduziert wird.

Die aus vier aufeinanderfolgenden Forschungsprojekten bestehende Studie wurde vom Bundesamt für Strahlenschutz fachlich und administrativ koordiniert. Die eigentlichen Forschungsarbeiten führte die Universität Münster zusammen mit dem Landeskrebsregister Nordrhein-Westfalen, BIPS und SOCIUM durch.

Das Bundesumweltministerium, das Bundesgesundheitsministerium sowie die Kooperationsgemeinschaft Mammographie trugen gemeinsam die Kosten von rund 10 Millionen Euro. Über die grundsätzlichen Inhalte des Forschungsprojektes entschied ein Steuerungsgremium, das von einem unabhängigen Wissenschaftlichen Beirat beraten wurde.

Der umfangreiche Ergebnisbericht (500 Seiten) mit detaillierter Darstellung der Methoden und Ergebnisse der Studie „Evaluation der Brustkrebsmortalität im deutschen Mammographie-Screening-Programm“ steht im Digitalen Online Repositorium und Informations-System DORIS unter der URN https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0221-2025062052653 zur Verfügung.

Link zur Machbarkeitsstudie

https://www.socium.uni-bremen.de/projekte/?proj=447

Link zur Hauptstudie I

https://www.socium.uni-bremen.de/projekte/?proj=588

Link zur Hauptstudie II

https://www.socium.uni-bremen.de/projekte/?proj=665

Link zum Generalunternehmer

https://www.medizin.uni-muenster.de/epi/forschung/projekte/zebra-msp/


Kontakt:
Prof. Dr. Heinz Rothgang
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 3
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58557
E-Mail: rothgang@uni-bremen.de

Dr. Jonas Czwikla
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 3
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58633
E-Mail: czwikla@uni-bremen.de

Podiumsdiskussion im Rahmen des Gesundheitspolitischen Kolloquiums

Rund 100 Teilnehmer:innen besuchten die erste Podiumsdiskussion des Gesundheitspolitischen Kolloquiums am 21.05.2025 im Haus der Wissenschaft. Im Zentrum der Diskussion standen drängende Herausforderungen in der Pflege sowie notwendige politische Maßnahmen nach der Bundestagswahl. Organisiert wurde die Veranstaltung in Kooperation mit dem Alumni-Verein der Universität Bremen.

Auf dem Podium diskutierten Gäste aus Wissenschaft und Praxis: Judith Burgmeier (Mitgründerin des ambulanten Pflegedienstes vielfältig. GmbH), Jutta Dernedde (Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bremen), Reinhard Leopold (BIVA-Pflegeschutzbund, Selbsthilfe-Initiative "Heim-Mitwirkung" und „wir pflegen - Interessenvertretung und Selbsthilfe pflegender Angehöriger e.V.“) sowie Prof. Dr. Heinz Rothgang (Gesundheits- und Pflegeökonom am SOCIUM). Moderiert wurde der Abend von Prof. Dr. Matthias Zündel (Integrierter Gesundheitscampus Bremen). Doch nicht nur das Podium zeichnete sich durch eine breite Expertise aus, auch unter den etwa 100 Gästen im Publikum befanden sich viele Personen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema Pflege beschäftigen. So diskutierten unter anderem Pflegekräfte, Mitarbeitende von Krankenkassen, pflegende Angehörige sowie Studierende der Universität Bremen angeregt mit.

Personalmangel und Finanzierungsfragen als Herausforderungen für die neue Bundesregierung

Das viel diskutierte Problem des Personalmangels wurde auch an diesem Abend prominent diskutiert: Die Expert:innen machten dabei aber deutlich, dass nicht, wie häufig angenommen, die Bezahlung das Hauptproblem darstellt – diese hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Vielmehr sind es die immer schwierigeren Arbeitsbedingungen, die dazu führen, dass Pflegekräfte den Beruf verlassen. Unzureichende Personalschlüssel, unplanbare Arbeitszeiten und die daraus resultierende Dauerbelastung schaffen einen verhängnisvollen Kreislauf: Wegen Personalmangels steigt die Belastung, was noch mehr Pflegende zum Berufsausstieg bewegt. Auch die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland stellt keine Universallösung dar: für diese sind englischsprachige Länder oft attraktiver, auch die Eingliederung in das deutsche Gesundheitssystem gestaltet sich teils schwierig.

Auf die Pläne der neuen Bundesregierung im Bereich der Pflege angesprochen, musste Prof. Rothgang vor allem eine Leerstelle feststellen: „Im Koalitionsvertrag steht zum Thema Pflege nicht viel. Aber nur weil nichts drinsteht, heißt das nicht, dass auch nichts passieren wird“, äußerte er sich dennoch vorsichtig optimistisch. Neben dem Personalmangel diskutierten die Podiumsgäste auch die Finanzierung der Pflege als eine der drängenden Herausforderungen für die Politik. Insbesondere für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige stellen die seit Jahren stark steigenden Eigenanteile eine massive Belastung dar. Bei diesem Thema – wie auch in anderen Bereichen – waren sich die Podiumsgäste weitgehend darüber einig, dass es nicht an Reformkonzepten, sondern an deren Umsetzung mangelt.

Probleme gemeinsam anpacken – miteinander statt gegeneinander

Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion lag auf Vertrauensproblemen zwischen den verschiedenen Akteur:innen im Pflegesystem. Die Podiumsteilnehmer:innen identifizierten – auch in der Diskussion mit dem Publikum –Vertrauensdefizite zwischen Krankenkassen, Medizinischem Dienst, stationären Einrichtungen und ambulanten Pflegediensten als ein Hindernis für Verbesserungen. Diesen gelte es zu begegnen, um gemeinsam die Probleme in der Pflege anzupacken: nur miteinander statt gegeneinander könne man dies schaffen.

Das Gesundheitspolitische Kolloquium ist eine gemeinsame Veranstaltungsreihe des SOCIUM - Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen, dem Integrierten Gesundheitscampus Bremen und dem Wissenschaftsschwerpunkt „Health Sciences“. Weitere Informationen zur Veranstaltungsreihe finden Sie hier.

Eintragen auf den Verteiler für Informationen über zukünftige Veranstaltungen ist über folgende E-Mail-Adresse möglich: gpk.socium@uni-bremen.de

 

 

(1942 – 2025)

Das SOCIUM trauert um Winfried Schmähl, der am 26.03.2025 verstorben ist. Als 1989 neu an die Universität Bremen berufener Professor für die Ökonomie der Sozialpolitik baute er am damals gerade gegründeten Zentrum für Sozialpolitik (ZeS), einem der Vorläuferinstitute des SOCIUM, die wirtschaftswissenschaftliche Abteilung auf, der er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2007 vorstand. Unter seiner Leitung hat diese Abteilung national wie international große Anerkennung für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung zu Fragen der Alterssicherung, Rentenpolitik und des Wandels der Arbeitswelt gewonnen.

Seine Expertise in den genannten Feldern war unumstritten und vielgefragt. Aus seiner Feder stammte 2018 das 1150 Seiten starke Standardwerk zur Geschichte der Alterssicherung in Deutschland.

Darüber hinaus engagierte Schmähl sich intensiv in der Politikberatung. Er war Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundesregierung, Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung für den Altenbericht, Mitglied des Beirats Forschungsförderung beim Forschungsnetzwerk Alterssicherung der Deutschen Rentenversicherung sowie Mitglied der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zum demographischen Wandel.

Mit ihm verlieren wir nicht nur einen hervorragenden Sozialpolitikforscher sowie einen tatkräftigen und ideenreichen Kollegen, sondern auch einen engagierten Menschen, der die soziale Realität seines Forschungsgegenstandes Alterssicherung – und die davon betroffenen Menschen – nie aus den Augen verloren hat. Seine Stimme wird uns fehlen.

Sprecherinnenteam, Vorstand und Mitglieder des SOCIUM sowie des ehemaligen Zentrums für Sozialpolitik (ZeS)

Neue Studie von Frank Nullmeier für die Heinrich-Böll-Stiftung

Die Rente gehört zu den zentralen Elementen der sozialen Sicherung in Deutschland. Sie ist allerdings in den letzten zwei Jahrzehnten in die Diskussion geraten: Meist wird die demographische Entwicklung verantwortlich gemacht: die Menschen werden immer älter, was die Bezugsdauer der Renten verlängert, und niedrige Geburtenraten sorgen dafür, dass immer weniger beruflich aktive für immer mehr Rentnerinnen und Rentner in das Rentensystem einzahlen müssen.

Entsprechend laut und schrill sind die Kassandrarufe in den Medien. Dagegen sind die Beitragssätze zur Rentenversicherung seit Jahren stabil und es gibt so viel sozialversicherungspflichtige Erwerbstätige wie noch nie. 

Das wirft die Frage auf, ob und wie auch in Zukunft verlässliche und angemessene Renten garantiert und vor allem finanziert werden können.

Diesem Thema widmet sich die Studie, die Frank Nullmeier unter Mitarbeit von Magnus Brosig im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung verfasst hat. Die Studie diskutiert die wesentlichen Stellschrauben für mögliche Reformen sowie die dafür bislang unterbreiteten Vorschläge. Dabei wird deutlich, dass gezielte Reformen die Stabilität des Rentensystems sichern können, ohne für die jungen Generationen die sozialen Errungenschaften infrage zu stellen.

Weitere Informationen:
Rente-mit-zukunft-reformszenarien-der-alterssicherung

Studie


Kontakt:
Prof. Dr. Frank Nullmeier
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 5
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58576
E-Mail: frank.nullmeier@difis.org