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Umfassendes Konzept am 14.03.25 in Berlin vorgestellt

Über die Notwendigkeit einer Pflegereform herrscht weitgehend Einigkeit. Prof. Dr. Heinz Rothgang, Thomas Kalwitzki und Benedikt Preuß (alle SOCIUM, Universität Bremen) zeigen in einem neuen Konzept wie die Pflegeversicherung mit Hilfe einer Finanz- und Strukturreform umgestaltet werden kann. 

 

Im Auftrag der Initiative Pro-Pflegereform, die von über 120 Pflegeunternehmen und mehr als 60 Verbänden und Organisationen unterstützt wird, haben die Bremer Wissenschaftler ein Konzept für eine Alternative Ausgestaltung der Pflegeversicherung (AAPV) ausgearbeitet. Mit der Reform soll den drängendsten Problemen – der individuellen Lebensstandardsicherheit im Falle einer Pflegebedürftigkeit, der gefährdeten Versorgungssicherheit durch verringerte Pflegekapazitäten und den Finanzierungsproblemen der Pflegeversicherung – begegnet werden. Die Autoren schlagen drei Reformschritte vor, dessen erster im Sinne eines Sofortprogramms bereits im Jahr 2026 greifen soll. Insgesamt kann die Neugestaltung des Systems im Jahr 2030 abgeschlossen werden.

Begrenzung der Eigenanteile von Pflegebedürftigen durch Sockel-Spitze-Tausch

Die erste Reformstufe soll vor allem die kontinuierlich steigenden Eigenanteile von Pflegebedürftigen in Pflegeheimen begrenzen. Notwendige Maßnahmen sind die Kostenübernahme für die medizinische Behandlungspflege durch die Gesetzliche Krankenversicherung sowie die Finanzierung der Ausbildungskosten durch die Versichertengemeinschaft. Zentral für diese Reformstufe ist außerdem der von Prof. Rothgang und Thomas Kalwitzki in einem früheren Gutachten ausgearbeitete „Sockel-Spitze-Tausch“. Dieser dreht das System der Pflegeversicherung um: Während aktuell die Versicherungsleistungen begrenzt und die Eigenanteile der Pflegebedürftigen unbegrenzt sind, soll zukünftig ein stabiler Eigenanteilssockel für Pflegebedürftige entstehen und die Pflegeversicherung die unbegrenzte Kostenspitze tragen.

Pflegebedürftige in stationärer und ambulanter Versorgung sollen gleichgestellt werden

Mit der zweiten Reformstufe sollen bedarfsorientiert Leistungen auch im ambulanten Bereich ermöglicht und damit alle Pflegebedürftigen unabhängig davon, ob sie stationär oder in häuslicher Umgebung versorgt werden, gleichgestellt werden. Dies beinhaltet die Leistungen sowohl von professionellen Pflegediensten also auch für private und zivilgesellschaftliche Pflegeübernahme auszuweiten und dadurch die individuelle Ausgestaltung der Pflegesettings zu stärken. Maßnahmen dieser Stufe umfassen unter anderem die Weiterentwicklung des Pflegegelds zu einer Leistung für die Pflegenden, die Schaffung eines umfassenden Modul- und Leistungskatalogs für eine einheitliche Abrechnung sowie den oben beschriebene Sockel-Spitze-Tausch auch in der ambulanten Versorgung anzuwenden. Um die pflegerische Versorgung in der Zukunft zu sichern, beinhaltet diese Stufe außerdem eine Ausbildungsoffensive, mit Hilfe derer die Ausbildungskapazitäten verdoppelt werden sollen. So sollen bis Ende der 2030er Jahre rund 1 Million neue pflegerische Fach- und Assistenzkräfte ausgebildet werden.

Die letzte Reformstufe sieht eine sektorenfreie Versorgung vor, die innovative Wohn- und Pflegeformen sowie Laienpflege individuell und unabhängig vom Wohnort ermöglichen soll. Die zentrale Frage ist dann nicht mehr wo eine Pflegeleistung erbracht wird, sondern durch wen. Pflegebedürftige können ihre Wohnsettings dann frei wählen und finanzieren sie selbst, die Pflege kann sowohl von professionellen Pflegekräften als auch durch Laien, beispielsweise Angehörige, erfolgen.

Umfassende Refinanzierungsreform verhindert Beitragssteigerungen

Um den durch die Maßnahmen der zweiten und dritten Reformstufe entstehenden Ausgabensteigerungen zu begegnen, beinhalten diese auch eine umfassende Refinanzierungsreform, die die steigenden Ausgaben solidarisch verteilt und die eine Erhöhung des Beitragssatzes abmildert. Diese sieht Veränderungen in der Beitragsbemessung, einen Finanzausgleich zwischen sozialer Pflegeversicherung und privater Pflegeversicherung sowie einen Steuerzuschuss für die Pflegeversicherung vor.

„In Bezug auf den aktuellen Zustand der Pflegeversicherung und den Reformbedarf besteht seltene Einigkeit. Mit unserem Konzept legen wir einen Vorschlag vor, wie das System sofort und umfassend umgestaltet werden kann. Damit kann die pflegerische Versorgung in Deutschland nicht nur gesichert, sondern auch gerechter finanziert werden“, sagt Prof. Rothgang.

Links und Downloads:

Gutachten

Link zur Pressemittelung der Initiative Pro-Pflegereform

Präsentation


Kontakt:
Prof. Dr. Heinz Rothgang
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 3
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58557
E-Mail: rothgang@uni-bremen.de

Thomas Kalwitzki
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 3
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58544
E-Mail: thomas.kalwitzki@uni-bremen.de

Benedikt Preuß
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 1
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58647
E-Mail: bpreuss@uni-bremen.de

Gutachten zu einer Pflegebürgervollversicherung veröffentlicht

Die Finanzierung der Pflegeversicherung ist eine der größten gesundheitspolitischen Herausforderungen für die kommende Bundesregierung. Eine Lösung könnte eine Pflegebürgervollversicherung sein. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten von Prof. Dr. Heinz Rothgang im Auftrag des „Bündnis für eine solidarische Pflegevollversicherung“.

 

Das doppelte Finanzierungsproblem der Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung steht aktuell vor einem doppelten Finanzierungsproblem, führen die Autoren des Gutachtens, Prof. Dr. Heinz Rothgang und Dominik Domhoff (beide Universität Bremen), zu Beginn aus. Zum einen steigen die Eigenanteile, die Pflegebedürftige selbst aufbringen müssen, kontinuierlich. Mit dem ursprünglichen Anspruch der Pflegeversicherung, nämlich Armut durch Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, ist diese Entwicklung kaum noch vereinbar: immer mehr Pflegebedürftige sind auf Sozialhilfeleistungen angewiesen, um die Eigenanteile zahlen zu können.

Zum anderen weist die Finanzierung der Pflegeversicherung schon seit ihrer Einführung Probleme auf, deren Folgen immer sichtbarer werden. Die Ursache liegt vor allem in der Aufteilung der Pflegversicherung in die Soziale Pflegeversicherung (SPV) und Private Pflegeversicherung (PPV). Da die Alters-, Geschlechter- und Risikostruktur für Privatversicherte im Durchschnitt günstiger ist, fallen die Ausgaben der SPV pro versicherte Person doppelt so hoch aus wie die der PPV pro versicherte Person. Gleichzeitig besteht eine strukturelle Einnahmeschwäche der Pflegeversicherung. Diese ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass immer mehr einkommensstarke Versicherte mit „guten Risiken“ in die PPV wechseln, sondern liegt auch daran, dass lediglich Einkommen aus Arbeit bis zur Beitragsbemessungsgrenze für die Beitragsbemessung der SPV berücksichtigt wird. Steigt das Einkommen aus anderen Einkommensarten oder oberhalb der Bemessungsgrenze stärker, wächst die Gesamtsumme der beitragspflichtigen Einnahmen langsamer als das Bruttoinlandsprodukt (BIP). So ist das BIP von 2000 bis 2023 um 95 % gestiegen, die beitragspflichtigen Einnahmen je Mitglied haben im selben Zeitraum dagegen nur um 51 % zugenommen.

 

Die doppelte Lösung: die Pflegebürgervollversicherung

Dieses doppelte Finanzierungsproblem der Pflegeversicherung, so die Autoren, benötigt eine doppelte Lösung: Eine Kombination von Vollversicherung und Bürgerversicherung, die zu einer Pflegebürgervollversicherung wird. Eine alle Kosten abdeckende Vollversicherung kann eine effektive Begrenzung des Eigenanteils gewährleisten. Da sie aber auch die Ausgaben erhöhen und damit die bereits existierenden Finanzierungsprobleme der Pflegeversicherung verstärken würde, braucht es zudem eine Bürgerversicherung. Diese soll die gesamte Bevölkerung in die Sozialversicherung und alle Einkommensarten in die Beitragsbemessung einbeziehen. Eine solche Bürgerversicherung könnte eine Vollversicherung – das zeigen die Berechnungen die Autoren – ohne Beitragssteigerungen finanzieren.

„Der Reformvorschlag der Pflegebürgervollversicherung adressiert mit der Begrenzung der Eigenanteile einerseits das aktuell drängendste Problem der Pflegebedürftigen. Andererseits kann eine solche Versicherung Finanzierungsungerechtigkeiten beenden, die strukturelle Einnahmeschwäche der Pflegeversicherung beenden und so die Finanzierung des Systems nachhaltig stabilisieren“, kommentiert der Pflegeökonom Heinz Rothgang den Vorschlag.

 

Download: Gutachten Pflegebürgervollversicherung

Zur Pressemitteilung: https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/weg-aus-pflege-krise-buergerversicherung-kann-kostenexplosion-stoppen/


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Prof. Dr. Heinz Rothgang
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Prof. Dr. Heinz Rothgang stellt BARMER-Pflegereport 2024 am 18.11.2024 in Berlin vor

Der jährlich veröffentlichte BARMER-Pflegebericht bewertet die aktuelle Pflegepolitik und erfasst die Situation der Pflege. Für den Bericht werteten Prof. Dr. Heinz Rothgang und Dr. Rolf Müller (beide SOCIUM) Daten aus der Pflege- und Kassenstatistik sowie der BARMER umfassend aus. Darüber hinaus setzen die Autoren einen thematischen Schwerpunkt, welcher in diesem Jahr vor allem die Pflegedauer und ihre Auswirkungen auf die Pflegekosten in den Blick nimmt.

 

Höhere Kosten durch mehr Personal und höhere Löhne in der Altenpflege

Auch im vergangenen Jahr stiegen die Eigenanteile in der Heimpflege weiter an und belaufen sich inzwischen – bei Berücksichtigung aller Leistungen der Pflegeversicherung – auf bundesdurch­schnittlich mehr als 2.300 Euro. Dies ist nicht zuletzt auch das Ergebnis von Personalaufstockungen durch das von der Universität Bremen entwickelten Personalbemessungsverfahren und der im Herbst 2022 eingeführten Tariftreueregelung. Letztere gibt vor, dass Pflegeeinrichtungen ohne Tarifvertrag einen solchen einführen, sich an einen solchen anlehnen oder ein regional übliches Entlohnungsniveau für Pflegekräfte sicherstellen. Dies hat zu einem deutlichen Anstieg der Löhne in der Altenpflege geführt: Zwischen Dezember 2021 und Dezember 2023 ist das Lohnniveau für Fachkräfte und Helfer:innen um 17 bzw. 24 Prozent gestiegen, während der Anstieg in der Krankenpflege wie auch im Rest der Wirtschaft nur bei sechs bis zwölf Prozent gelegen hat. Die gestiegenen Kosten sind damit Folge gezielter Maßnahmen, die zur Verbesserung der Pflege beitragen sollen. Sie müssen allerdings durch eine effektive Begrenzung der Eigenanteile vom Gesetzgeber aufgefangen werden, soll die Legitimität der Pflegeversicherung, die 1994 eingeführt wurde, um pflegebedingte Verarmung zu verhindern, nicht Schaden nehmen.

 

Menschen sind länger pflegebedürftig – Pflegekosten werden weiter steigen

Im Mittelpunkt des diesjährigen Schwerpunktkapitels steht vor allem die steigende Pflegedauer und die damit verbundenen Kosten, die für das Pflegeversorgungssystem zu erwarten sind. Der Vergleich der Daten von im Jahr 2022 verstorbenen Pflegebedürftigen mit Vorausberechnungen der Pflegedauern für Menschen, die im Jahr 2022 neu pflegebedürftig geworden sind, zeigt, dass ein deutlicher Anstieg der Pflegedauern zu erwarten ist. Von den 2022 verstorbenen BARMER-Versicherten haben 77 Prozent in ihrem Leben, in aller Regel am Lebensende, Leistungen der Pflegeversicherung bezogen. Diese Leistungen wurden durchschnittlich über 3,8 Jahre bezogen. Bei den 2022 erstmals Pflegebedürftigen sind die Pflegeverläufe meist noch nicht abgeschlossen. Mithilfe der Sterbetafelmethode können die Pflegedauern aber aus den Querschnittsdaten vorausberechnet werden – mit der gleichen Methode mit der das Statistische Bundesamt die Lebenserwartung Neugeborener berechnet. Demnach ist für diese 2022 erstmals Pflegebedürftigen mit einer Pflegedauer von 7,5 Jahren zu rechnen, also einem fast doppelt so hohen Wert.

Die gestiegene Pflegedauer ist auch eine Folge des erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriffs, da Menschen durch diesen schon früher und damit auch länger pflegerische Leistungen erhalten. Insgesamt kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die Pflegedauern um 100% und die Ausgaben um 50% steigen. Die Ausgaben steigen weniger stark, da die zusätzlichen Zeiten in Pflegebedürftigkeit vor allem in niedrigen Pflegegraden und mit dem Bezug von Pflegegeld verbracht werden, was deutlich geringere Ausgaben mit sich bringt als Pflegesachleistungen durch ambulante Pflegedienste oder die Heimpflege.

 

Langfristige Finanzierungssicherheit für die Pflegeversicherung notwendig

Neben der steigenden Zahl an Pflegebedürftigen durch demographische Entwicklungen in den nächsten Jahren und den steigenden Kosten durch mehr Personal und höhere Löhne in der Pflege, müssen also auch längere Pflegedauern für die Kostenentwicklung der Pflege berücksichtigt werden. Durch letztere steigen die Gesamtausgaben der Sozialen Pflegeversicherung pro Pflegebedürftigen in neuen Kohorten zusätzlich. Die Pflegeversicherung braucht also langfristig deutlich mehr finanzielle Mittel: „Die jüngst angeschobene Beitragserhöhung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kann höchstens kurzfristig Abhilfe schaffen und bestenfalls das kommende Jahr überbrücken. Für eine langfristige Finanzierungssicherheit braucht es eine Finanzierung aus Steuermitteln und einen Finanzausgleich mit der Privaten Pflegeversicherung“, kommentiert Prof. Rothgang anlässlich der Veröffentlichung des Pflegereports.

 

 

Link:

BARMER Pflegereport 2024

 

 

 


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Veranstaltungsreihe kommt im Wintersemester mit fünf spannenden Veranstaltungen zurück

Der Semesterstart steht vor der Tür und auch das Gesundheitspolitische Kolloquium der Universität Bremen und des Integrierten Gesundheitscampus Bremen ist zurück mit fünf spannenden Veranstaltungen zu gesundheitspolitischen Themen im Haus der Wissenschaft!

Programm:

30.10.2024:
Das „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG) – Worauf setzen wir in der Prävention?
Matti von Harten, AOK Bremen/Bremerhaven, Verantwortlicher Bereich Gesundheit

27.11.2024:
Das MVP Bremen – Einbindung von nichtversicherten Personen in die gesundheitliche Versorgung
Holger Dieckmann, MVP e.V., Berater und Projektkoordinator

11.12.2024:
Das neue Organspenderegister - Kann so die Spendenbereitschaft erhöht werden?
Sonja Schäfer, Gesundheit Nord gGmbH Klinikverbund Bremen, Aufklärung Organspende Bremen/Bremerhaven, Vorsitzende des Klinischen Ethikkomitees

08.01.2025:
Young Carer – Was brauchen pflegende Kinder und Jugendliche?

Birgitt Pfeiffer, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Bremen e.V., Vorständin

22.01.2025:
Europe’s Beating Cancer Plan – Was ändert sich für die Versorgung?
Sten Beneke, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Leitung Büro Brüssel

Die Veranstaltungen werden von Prof.in Eva Quante-Brandt, Prof. Heinz Rothgang und Prof. Dr. Matthias Zündel moderiert.
Eine Anmeldung ist nicht notwendig. Wir freuen uns über Ihre Teilnahme am Kolloquium mit spannenden Einblicken und Diskussionsbeiträgen.

Mehr Informationen zum GPK finden Sie hier: https://www.socium.uni-bremen.de/veranstaltungen/gesundheitspolitisches-kolloquium/

Sie möchten keine Veranstaltung verpassen? Dann melden Sie sich noch heute zum Newsletter an unter: gpk.socium@uni-bremen.de

 

Foto: Integrierter Gesundheitscampus Bremen

 

 

 


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Prof. Dr. Eva Quante-Brandt
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E-Mail: eva.quantebrandt@uni-bremen.de

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Gesundheits- und Pflegeökonom für weitere Amtsperiode berufen

Prof. Heinz Rothgang, Leiter der Abteilung Gesundheit, Pflege und Alterssicherung, ist für eine weitere Amtsperiode in den Wissenschaftlichen Beirat des „Wissenschaftlichen Instituts der AOK“ (WIdO) berufen worden.

Das WIdO führt Forschungsarbeiten für die AOK durch, die die Qualität des Gesundheitssystems verbessern und es zugleich effizienter machen sollen. Der Wissenschaftliche Beirat berät und unterstützt bei diesen Aufgaben, indem seine Mitglieder ihre wissenschaftliche Expertise und Erfahrungen einbringen.

Heinz Rothgang ist seit 2009 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des WIdO. Wissenschaftliche Beratungen wie diese zählen zu einer der wichtigen Transferaktivitäten der Abteilung.


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Cluster "Zukunft der Pflege" geht in die nächste Runde

Die Pflege durch den Einsatz digitaler Lösungen verbessern und gleichzeitig die Belastung des Pflegepersonals reduzieren – das ist das Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsclusters Zukunft der Pflege“. Dieses geht nun in die zweite Förderphase über, in der der Transfer neuer Technologien in die Praxis im Mittelpunkt steht. Ein wichtiger Baustein ist dabei das Pflegeinnovationszentrum (PIZ) in Oldenburg und Bremen.

Die Pflege in Deutschland steht vor enormen Herausforderungen: Eine stark steigende Zahl Pflegebedürftiger trifft auf einen eklatanten Mangel an Fachkräften. Gleichzeitig werden pflegerische Interventionen immer komplexer. Um diesen Problemen zu begegnen, unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Entwicklung und Erforschung neuer Pflegetechnologien.

Im Rahmen des Clusters „Zukunft der Pflege“ werden seit 2017 soziale und technische Innovationen in der Pflege zusammengebracht: Forschung, Wirtschaft und Pflegepraxis arbeiten gemeinsam mit Anwender:innen an neuen Produkten, die den Pflegealltag in Deutschland erleichtern und verbessern sollen. Als erster Baustein des Pflegeclusters nahm im Juni 2017 das bisher in Deutschland einmalige Pflegeinnovationszentrum (PIZ) seine Arbeit auf. Hier erforschen Ingenieur:innen des OFFIS in Oldenburg gemeinsam mit Pflegewissenschaftler:innen (Prof. Dr. Karin Wolf-Ostermann, Institut für Public Health und Pflegeforschung) und Pflegeökonom:innen (Prof. Dr. Heinz Rothgang, SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik) der Universität Bremen neue Technologien. Dabei spielen auch ethische, soziale und rechtliche Aspekte eine zentrale Rolle, die von der Universität Oldenburg in den Blick genommen werden.

Nach der erfolgreichen ersten Phase geht das Forschungsprojekt nun in die zweite Runde über, in der das Cluster zu einem „Innovations- und Transferhub“ ausgebaut werden soll. Während bisher die Entwicklung und Erprobung neuer Technologien im Mittelpunkt stand, soll nun der Transfer in die breite Praxis forciert werden. Dazu gehören beispielsweise robotische Systeme zur physischen Entlastung des Pflegepersonals bei körperlich belastenden Tätigkeiten oder auch Technologien zur Unterstützung der telepflegerischen Versorgung, zum Beispiel durch sensorische Erfassung des Gesundheitszustands.

Die Universität Bremen bringt dabei umfassende Expertise der Pflegeforschung, der Pflegeökonomie und der Versorgungsforschung mit einem besonderen Fokus auf digitale Pflege-Technologien ein. „Technologische Innovationen können den Alltag in der Pflege entlasten, aber sie müssen sinnvoll in die Versorgungspraxis und in die Arbeit der Pflegekräfte integrierbar sein,“ sagt Prof. Dr. Karin Wolf-Ostermann. Die Bremer Wissenschaftler:innen analysieren unter anderem die Bedarfe an technologischer Unterstützung in unterschiedlichen ambulanten und stationären Pflegesituationen, sie untersuchen wie technologische Innovationen wie Smartwatches und andere „Wearables“ in den Pflegealltag integriert werden können und beschäftigen sich mit Fragen rund um die Evaluation des Technologieeinsatzes. „Mit unseren Erfahrungen, Forschungsschwerpunkten und Netzwerken können wir darüber hinaus eine vermittelnde Rolle zwischen den Bedarfen und Anforderungen in der Pflegepraxis, den Interessen von Entwickler:innen und der Wissenschaft einnehmen“, sagt Prof. Dr. Heinz Rothgang.

Insgesamt wird das Cluster „Zukunft der Pflege“ in den kommenden fünf Jahren mit rund 20 Millionen Euro gefördert. Teil des Vorhabens sind neben dem PIZ vier sogenannte „Pflegepraxiszentren“ (PPZ) in Berlin, Freiburg, Hannover und Nürnberg, denen eine wichtige Rolle in der Implementation und Evaluation der Technologien und Produkte zukommt.    


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BARMER-Pflegereport 2023 am 05.12.2023 in Berlin vorgestellt

Der jährlich veröffentlichte BARMER-Pflegebericht bewertet die aktuelle Pflegepolitik und erfasst die Situation der Pflege. Für den Bericht werteten Prof. Heinz Rothgang und Dr. Rolf Müller (beide SOCIUM) Daten aus der Pflege- und Kassenstatistik sowie der BARMER umfassend aus. Darüber hinaus setzen die Autoren einen thematischen Schwerpunkt, welcher in diesem Jahr auf der Situation Pflegebedürftiger im Krankenhaus liegt.

Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag werden nicht umgesetzt

Die zentralen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung und zur Finanzierung der Pflege wurden bisher nicht umgesetzt. Dies betrifft unter anderem die Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen wie die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige, die Herausnahme der Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen in der Heimpflege und die Umfinanzierung der medizinischen Behandlungspflege in Heimen. Angesichts der derzeitigen Finanzsituation und deren Bewertung durch die Bundesregierung ist es unwahrscheinlich, dass diese Vorhaben in der aktuellen Legislaturperiode noch verwirklicht werden.

Eine Tariftreueregelung soll den Pflegeberuf attraktiver machen. Nach dieser müssen Pflegeeinrichtungen ohne Tarifvertrag einen solchen einführen, oder ein regional übliches Entlohnungsniveau für Pflegekräfte sicherstellen. Der überwiegende Teil der bislang nicht gebundenen Einrichtungen hat sich für die zweite Option entschieden. Es wurden daher nicht deutlich mehr Tarifverträge eingeführt, die Entgelte stiegen in vielen Einrichtungen aber um bis zu 30 Prozent, was sich wiederum in den Preisen für Pflegeleistungen niederschlägt. Das zentrale Gesetzesvorhaben dieser Legislaturperiode im Bereich der Langzeitpflege ist das Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz. Die darin vorgenommenen Anpassungen sind allerdings unzureichend: in der häuslichen Pflege erfährt das Pflegegeld inflationsbedingt weiterhin einen Realwertverlust, während Eigenanteile in der stationären Pflege steigen. Das Ziel, diese Eigenanteile zu begrenzen wird damit verfehlt.  

Pflegebedürftige machen rund ein Viertel der Patient:innen in Krankenhäusern aus

Mit zunehmendem Alter werden nicht nur eine Pflegebedürftigkeit, sondern auch ein Krankenhausaufenthalt wahrscheinlicher und oft wird erst durch eine Krankenhausaufnahme eine Pflegebedürftigkeit festgestellt. Die Zahl der Personen, die Monat einer Krankenhausaufnahme pflegebedürftig geworden sind, lag in den Jahren 2017 bis 2022 jährlich relativ konstant zwischen 260.000 und 276.000. Die Zahl der Krankenhausfälle von bereits Pflegebedürftigen ist in diesem Zeitraum hingegen deutlich gestiegen – von 2,71 Millionen auf 3,45 Millionen. Insgesamt machen Pflegebedürftige rund ein Viertel der Patient:innen in Krankenhäusern aus.

Jährlich über eine Million potenziell vermeidbare Krankenhausfälle durch Pflegebedürftige

Über eine Million Krankenhausaufenthalte von Pflegebedürftigen können als potentiell vermeidbar angesehen werden. Dazu gehören insbesondere Krankenhausaufnahmen wegen Diabetes mellitus, Typ 2, Volumenmangel, Herzinsuffizienz, sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit und sonstige Krankheiten des Harnsystems. Neben der pflegerischen und medizinischen Versorgung könnten hier auch die Mitwirkung der Pflegebedürftigen sowie das individuelle Gesundheitsverhalten eine Rolle spielen.

Plötzlich Pflegebedürftig – was kommt nach dem Krankenhaus?

Wenn ein Pflegebedarf im Krankenhaus festgestellt wird, ist dieser häufig mit relativ plötzlich auftretenden, schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs oder Schlaganfall verbunden und die Pflegegrade sind dann meist höher als in anderen Situationen, in denen eine Pflegebedürftigkeit festgestellt wird. An den Krankenhausaufenthalt schließt in diesen Fällen die Frage nach der weiteren Versorgung an, auf die das häusliche Umfeld oft nicht vorbereitet ist. Mehr als die Hälfte (53,5 Prozent) der Personen, bei denen im Zuge ihres Krankenhausaufenthaltes eine Pflegebedürftigkeit festgestellt wird, wird nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ausschließlich informell gepflegt – d.h. ohne Leistungen von ambulanten Pflegediensten, Versorgung in Pflegeeinrichtungen. 39,8 Prozent beziehen Pflegesachleistung und 6,4 Prozent ziehen in Pflegeheime. Zudem nutzt jede siebte Person (14,2 Prozent) Kurzzeitpflege. Von diesen wird einen Monat später die Hälfte noch vollstationär versorgt. Die Kurzzeitpflege nimmt hier eine Überbrückungsfunktion ein, bis die adäquate Versorgung organisiert ist.

Veränderungen auch für schon Pflegebedürftige

Für Menschen, die bereits pflegebedürftig sind, ist nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Krankenhausaufenthaltes überhaut, sondern auch die eines potenziell vermeidbaren höher als für Menschen ohne Pflegebedarf. Vielfach erhöht sich nach dem Krankenhausaufenthalt der Pflegegrad. Dadurch können Angehörige auch hier vor der Frage nach einem veränderten Versorgungsbedarf stehen. Schon im Monat der Krankenhausentlassung nehmen 5,6 Prozent der bislang informell versorgten Pflegebedürftigen einen Pflegedienst in Anspruch und 2,7 Prozent ziehen in ein Pflegeheim. Von den Pflegebedürftigen, die bislang durch Pflegedienste versorgt werden, ziehen sogar 8,1 Prozent schon im Entlassungsmonat in ein Pflegeheim um. Von den bisherigen Nutzern der Pflegedienste nutzen 15,7 Prozent direkt nach der Entlassung auch die Kurzzeitpflege, welche auch bei diesen Pflegebedürftigen sehr häufig als Überbrückung in die vollstationäre Dauerpflege genutzt wird.

Krankenhausaufenthalte sind für Pflegebedürftige deutlich länger

Notwendige Suchprozesse können die Entlassungen aus dem Krankenhaus verzögern, dabei liegt es im Interesse der Krankenhäuser, Krankenkassen und Pflegebedürftigen den Krankenhausaufenthalt so kurz wie möglich zu halten. Ein Entlassungsmanagement der Krankenhäuser soll zwar bei dem Übergang helfen, scheitert aber häufig schlichtweg an zu wenigen Plätzen in den Pflegeeinrichtungen und beginnt teilweise zu spät und zu unkoordiniert. Patient:innen mit einem neu festgestellten Pflegebedarf sind im Durchschnitt dreieinhalb Tage und durch ambulante Pflegedienste versorgte Pflegebedürftige sind im Durchschnitt bis zu zweieinhalb Tage länger im Krankenhaus als nicht pflegebedürftige Personen. Dies kann sowohl an einem schwereren Krankheitsverlauf als auch an einer notwenigen Überbrückungszeit liegen. Da eine anschließende Nutzung der Kurzzeitpflege die Krankenhausdauer durchschnittlich um weitere sechs Tage verlängert, deutet vieles auf einen längeren Suchprozess für die adäquate pflegerische Versorgung hin.

 

Download:

BARMER Pflegereport 2023

Statement von Prof. Rothgang anlässlich der Pressekonferenz

Folienvortrag von Prof. Rothgang anlässlich der Pressekonferenz


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Erster Landespflegebericht in Bremen vorgestellt

Wie steht es um die Pflege im Land Bremen? Können 2030 noch alle Menschen versorgt werden, die auf Unterstützung in ihrem Alltag angewiesen sind? Diese Fragen beantworten Prof. Dr. Heinz Rothgang, Thomas Kalwitzki und Benedikt Preuß (alle SOCIUM, Universität Bremen) im ersten offiziellen „Landespflegebericht Bremen 2023,“ den sie gemeinsam mit Dr. Johanna Krawietz (Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e. V) im Auftrag der Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration vorgestellt haben.

Jeder sechste Mensch in Deutschland wird derzeit im Laufe seines Lebens pflegebedürftig und ist damit in seinem Alltag auf Unterstützung angewiesen. Neben der Pflege durch Angehörige stellen beispielsweise ambulante Pflegedienste und Pflegeheime die Versorgung pflegebedürftiger Menschen sicher. Um diese Versorgung zu garantieren, sieht die Gesetzgebung eine langfristige Planung von ambulanten und (teil)stationären Einrichtungen vor. Der vorgelegte Landespflegebericht bildet die Grundlage für diese Planung, indem er nicht nur die Bevölkerungsentwicklung und die gegenwärtige Pflegeversorgung in Bremen aufzeigt, sondern diese auch den aktuellen und zukünftigen Bedarfen gegenüberstellt. Dazu analysierten die Wissenschaftler Daten aus den Jahren 2015-2022, auf deren Grundlage sie auch Entwicklungen bis 2030 berechnen können.  

Für die allgemeine Bevölkerungsentwicklung stellen die Forscher ähnliche Tendenzen in Bremen und Bremerhaven fest. So wird es zwar in beiden Städten bis 2030 zu einem deutlichen Rückgang in der Altersgruppe der 30-66-Jährigen und einem großen Anstieg der Gruppe der 67-79-Jährigen kommen, der Anteil der über 80-Jährigen sinkt hingegen. Innerhalb der älteren Bevölkerung kommt es insgesamt also zu einer Verjüngung. In Hinblick auf die pflegerische Versorgung ist insbesondere die Altersgruppe 80+ relevant, da hier die Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig zu werden am größten ist.

Ältere Stadtteile werden jünger, jüngere Stadtteile werden älter

Ein besonderer Fokus des Berichtes liegt auf dem Vergleich der Bremer und Bremerhavener Stadteile hinsichtlich ihrer Bevölkerungsentwicklung und der Entwicklung der Pflegebedürftigkeit. Hier zeigen sich große Unterschiede. In der Stadt Bremen sind die Stadtteile Oberneuland und Horn-Lehe sowie in Bremerhaven die Stadtteile Surheide und Mitte verhältnismäßig alt, die Bremer Stadtteile Östliche Vorstadt und Walle und die Stadtteile Lehe und Geestemünde in Bremerhaven sind vergleichsweise jung. Diese Unterschiede werden sich aber in den nächsten Jahren angleichen, da die „alten“ Stadtteile jünger, und die „jungen“ Stadtteile älter werden. Doch hier gibt es Ausnahmen: der Bremer Stadtteil Obervieland ist beispielsweise bereits jetzt deutlich älter als der Durchschnitt und wird bis 2030 noch weiter altern.

Die Zahl der Pflegebedürftigen stieg zwischen 2015 und 2021 im Land Bremen, wie im gesamten Bundesgebiet, stark an. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung liegt die Zahl der Pflegebedürftigen in Bremen damit nah am Bundesdurchschnitt. Aber auch hier sind deutliche Unterschiede zwischen den Bremer Stadteilen zu erkennen: während in Burglesum oder Obervieland in 2021 mehr als 70 Pflegebedürftige je 1.000 Einwohner:innen lebten, waren es in der Östlichen Vorstadt ca. 33. Auf der Grundlage von Daten über Empfänger:innen von Pflegegeld und/oder Pflegesachleistungen durch ambulante Pflegedienste können die Wissenschaftler abschätzen wie sich die Zahl der pflegebedürftigen Menschen zukünftig im Land Bremen entwickelt. Dabei überrascht: zwischen 2021 und 2030 wird die Zahl der Pflegebedürftigen nur minimal um ca. 1.000 Personen steigen. Die unterschiedlichen Bevölkerungsentwicklungen in den Stadtteilen wirken sich auch auf die benötigte Versorgung aus: während in Stadtteilen wie Huchting und Burglesum, die jünger werden, die Anzahl an Menschen, die auf Pflegegeld oder Pflegesachleistungen angewiesen sind, zurück geht, steigt ihre Anzahl in anderen, „alternden“ Stadtteilen wie Walle und der Östlichen Vorstadt um mehr als 20 % an.  

Versorgungslage verschlechtert sich

In ihrem Bericht stellen die Bremer Wissenschaftler auch die Entwicklung der Versorgungssituation in Bremen dar und vergleichen die Versorgung mit anderen Bundesländern. Dabei stellen sie fest: im Land Bremen zwischen 2015 und 2021 sind die Versorgungsgrade (Plätze je Pflegebedürftige) der meisten Leistungsangebote deutlich zurückgegangen. Die Versorgung im ambulanten Bereich (inkl. Tagespflege) ist im Bundesvergleich zwar überdurchschnittlich, im stationären Bereich liegt der Versorgungsgrad hingegen unter dem Bundesdurchschnitt. Besondere Versorgungslücken bestehen im Bereich der Kurzzeitpflege. In Bremen und Bremerhaven unterscheidet sich die Versorgung zwischen den Stadtteilen deutlich. Pflegeheime sowie ambulante Pflegedienste liegen in den beiden Städten meist in zentralen, jüngeren Stadtteilen und damit nicht dort wo der Bedarf besonders hoch ist. Beim großen Thema Personalmangel in Pflegeheimen liegt Bremen hingegen insgesamt im Durchschnitt, wobei es im Vergleich zu anderen Bundesländern einen höheren Bedarf an Pflegefachkräften gibt, dafür aber einen geringeren Bedarf an Assistenzkräften.

Für die Zukunft empfehlen die Wissenschaftler eine zweijährige Berichterstattung, um demographische Veränderungen festzuhalten und eine angemessene Pflegeplanung zu garantieren. Zudem sollten Versorgungslücken in weniger zentralen Stadtteilen gefüllt werden, indem das stationäre beziehungsweise ambulante Angebot ausgeweitet wird. Um dem Personalmangel in der Pflege zu begegnen, heben Prof. Rothgang und seine Kollegen die Notwendigkeit hervor, den Beruf attraktiver zu machen, indem die Arbeitsbedingungen und Bezahlung besser werden. Auch ein neues Konzept zu Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung, das aktuell in der Arbeitsgruppe des Bremer Professors entwickelt wird, soll zukünftig dabei helfen, den Einsatz von Pflegepersonal zu verbessern.

Im zweiten Teil des Landespflegeberichts, der durch die Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e. V. (LVG & AfS) erarbeitet wurde, wird die Entwicklung und die aktuelle Situation in Hinblick auf pflegeunterstützende Maßnahmen und offene Altenhilfe wie ehrenamtliche Angebote im Bereich Betreuung und Beratung dargestellt.

Der vollständige Bericht kann auf der Website der Pressestelle des Senats heruntergeladen werden.

Text: Maren Emde und Benedikt Preuß


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Tel.: +49 421 218-58557
E-Mail: rothgang@uni-bremen.de

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Senatorin Anja Stahmann begrüßt die Projektteilnehmenden im Bremer Rathaus

Zum Auftakt des auf neun Jahre angelegten Projekts TCALL (Transfercluster Akademischer Lehrpflegeeinrichtungen in der Langezeitpflege) hat die Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport am Montag den 03.04.2023 im Rathaus Projektpartner:innen aus Wissenschaft und Praxis sowie weitere Akteure aus dem Bereich Pflege und Politik im Rathaus willkommen geheißen. Das Projekt initiiert durch die Entwicklung akademischer Lehrpflegeeinrichtungen in drei Modelleinrichtungen in Bremen den Aufbau neuer Innovations- und Transferstrukturen in der Langzeitpflege. Perspektivisch zielt das Projekt auf die Dissemination dieser Strukturen, in denen sowohl technische und digitale als auch strukturelle und prozesssteuernde Innovationen getestet, evaluiert und implementiert werden können, ins Land Bremen und ins gesamte Bundesgebiet ab.

Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt 16 Mio. Euro gefördert und von Prof. Heinz Rothgang (Abteilung Gesundheit, Pflege und Alterssicherung des SOCIUM - Universität Bremen) koordiniert. Im Projekt wird die Expertise unterschiedlicher Akteure im Pflegesektor des Landes Bremens vereint. Neben dem SOCIUM sind als wissenschaftliche Projektpartner:innen Prof. Karin Wolf-Ostermann und Prof. Ingrid Darmann-Finck aus dem Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP) sowie Prof. Karsten Wolf aus dem Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) von der Universität Bremen und Prof. Claudia Stolle, Zentrum für Pflegeforschung und Beratung von der Hochschule Bremen beteiligt. Weitere Projektpartner sind Prof. Matthias Zündel vom Integrierten Gesundheitscampus Bremen (IGB), das Bremer Zentrum für Pflegebildung sowie als Praxispartner das Johanniterhaus Bremen und zwei Einrichtungen des Caritasverbands Bremen.

Die Auftaktveranstaltung hat alle beteiligten Projektpartner sowie weitere Akteure des Pflegesektors und der Politik und insbesondere die Mitarbeitenden aus den beteiligten Pflegeeinrichtungen zusammengebracht. Bei der Auftaktveranstaltung wurden die Redebeiträge von Anja Stahmann (Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport), Tim Cordßen-Ryglewski (Staatsrat bei der Senatorin für Wissenschaft und Häfen), Prof. Maren Petersen (Konrektorin für Lehre und Studium an der Universität Bremen), Dr. Sabina Schoefer (Konrektorin für Digitalisierung an der Hochschule) und Prof. Heinz Rothgang (Hochschullehrer an der Universität Bremen und Projektkoordinator) mit interaktiven Elemente sowie einem informellen Zusammenkommen abgerundet.

Unter folgenden Links finden Sie weitere Beiträge zu dieser Veranstaltung:

https://gesundheitscampusbremen.de/presse/auftaktveranstaltung-projekt-tcall/
https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/forschung-bremen-pflege-100.html
https://www.sat1regional.de/pflege-der-zukunft-erste-akademische-lehrpflegeeinrichtung-in-bremen-eroeffnet/
https://www.weser-kurier.de/deutschland-welt/bremen-forschungsprojekt-soll-altenpflege-verbessern-doc7pm6vvta65s6s9tf34n


Kontakt:
Prof. Dr. Heinz Rothgang
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 3
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58557
E-Mail: rothgang@uni-bremen.de

Arbeitsgruppe von Professor Rothgang im SOCIUM ist Projektpartner im Leuchtturmprojekt „Pflege 2030“

Mit der Auftaktveranstaltung wurde am 19. Dezember 2022 ein Modellprojekt für die Pflege der Zukunft gestartet, in dem das SOCIUM und das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen mit der Korian Stiftung für Pflege und würdevolles Altern sowie der Korian Deutschland GmbH zusammenarbeiten.

Das Modellprojekt verfügt über ein Budget von rund 7 Mio. Euro, die zur Hälfte vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege zur Verfügung gestellt werden. Korian Deutschland übernimmt nicht nur die Kosten für den notwendigen Heimumbau im Umfang von 2,5 Mio. Euro, sondern auch die Kosten für einen Ausbau der Pflegepersonalausstattung von rund 1 Mio. Euro für drei Jahre. Damit wird es möglich, die Ergebnissen des Projekts zur Entwicklung des neuen Personalbemessungsverfahrens, das von 2017 bis 2020 an der Universität Bremen durchgeführt wurde, umzusetzen und zu erproben.

Klaus Holetschek, Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, startete das Projekt vor Ort feierlich: „Die Verbesserung der Pflege ist eines der zentralen Zukunftsthemen. Dazu gehören sowohl eine würdevolle Betreuung für pflegebedürftige Menschen als auch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Pflegeberuf. Wir müssen jetzt die Weichen für eine umfassende und menschenfreundliche Pflege von morgen stellen. Für uns als Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege ist das Projekt ‚Pflege 2030‘ somit zukunftsweisend. Ich erhoffe mir nachhaltige Erkenntnisse für eine langfristige Verbesserung der stationären Pflege in Bayern und darüber hinaus.“

Elisabeth Scharfenberg, Vorständin der Korian Stiftung, ergänzte: „Wir als Korian Stiftung freuen uns sehr über den Start von ‚Pflege 2030‘ in der Korian-Einrichtung in Karlsfeld. In den nächsten drei Jahren kann, gestützt durch wissenschaftliche Begleitung, ein modernisiertes Pflegekonzept umgesetzt werden, das nachhaltig den Berufsalltag der Pflegenden entlastet, diese in ihren Routinen unterstützt und damit auch den Pflegebedürftigen zugutekommt.“

Während der dreijährigen Projektlaufzeit wird in der Pflegeeinrichtung in Karlsfeld eine quantitativ und qualitativ bedarfsorientierte und digitalisierte Pflege implementiert und im Echtbetrieb erprobt. Ausgehend von einem entsprechenden Personalmix mit deutlich mehr Pflegeassistenzkräften wird die Modernisierung der Einrichtung durch digitale Pflegetechnik (wie beispielsweise Sensoren, Künstliche Intelligenz, Service Roboter oder datengestützte Prozesssteuerung) und eine innovative Personaleinsatzplanung erprobt und evaluiert. „So können bedarfsgerechte und kompetenzorientierte digital unterstützte Abläufe im Pflegealltag entstehen, die gleichermaßen die Lebensqualität der Pflegeheimbewohner:innen und die Arbeitszufriedenheit der Pflegefachkräfte verbessern“, betont Professor Heinz Rothgang von der Universität Bremen.

„Die Entwicklung, Implementierung und Integration neuer Prozesse und ‚Smarter‘ Technologien zur Entlastung der Pflegekräfte stellen gleichermaßen hohe Herausforderungen an die Entwickler:innen und an die Nutzenden“, unterstreicht Privatdozent Dr. Thomas Wittenberg vom Fraunhofer IIS. Zur Identifikation und Evaluierung geeigneter Technologien (wie zum Beispiel intelligenter Betten, Datenbrillen, Spracherkennung oder robotischer Systeme zur Arbeitserleichterung in der Pflege) werden Forscher:innen des Fraunhofer IIS in Erlangen ihre Expertise in das Projekt mit einbringen. Sie werden zusammen mit den Pflegekräften neue Verfahren zur Erkennung, Analyse und Interpretation von „Stress-Points“ in Pflegeprozessen mittels tragbarer Sensoren – sogenannter „Wearables“ – erarbeiten und die Lösungsansätze in der Praxis umsetzen.

Angesichts des großen Reformbedarfs in der stationären Langzeitpflege soll die Einrichtung in Karlsfeld als Best-Practice-Modell für kompetenzorientierte Pflege in einer digitalisierten Einrichtung dienen und wertvolle, übertragbare Erkenntnisse für Bayern, aber auch ganz Deutschland liefern. Ziel ist es, das gesamte Projekt in Bezug auf die Pflegequalität umfassend zu evaluieren und modulare Handreichungen zu erstellen, die andere Einrichtungen als Blaupause für eine entsprechende Umsetzung verwenden können.


Kontakt:
Prof. Dr. Heinz Rothgang
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 3
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Tel.: +49 421 218-58557
E-Mail: rothgang@uni-bremen.de