In dem von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderten Projekt untersuchen Philip Manow und Valentin Schröder die Entwicklung der Demokratie in Deutschland.

Im Mai ist am SOCIUM (entstanden aus dem Zentrum für Sozialpolitik und dem Institut für empirische und angewandte Soziologie) das Projekt "Formative Stages of German Politics. The Contested Rise of Parliamentary Democracy, 1867-1967" gestartet. In dem von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderten Projekt untersuchen Philip Manow und Valentin Schröder aus der Abteilung "Politische Ökonomie des Wohlfahrtsstaats" die Parlamentarisierung Deutschlands im Zeitraum 1867-1967, also von der Gesetzgebungspraxis unter dem Konstitutionalismus über den Dualismus Reichstag-Reichspräsident in der Weimarer Republik bis zur "Kanzlerdemokratie" der Bundesrepublik.

In dem Projekt gehen die beiden Forscher der Vermutung nach, dass die demokratische Regierungsform in Deutschland seit 1945 insbesondere davon geprägt wurde, dass die Parteieliten als zentrale Akteure des deutschen politischen Systems auf fundamentale Erfahrungen und Praktiken der parlamentarischen Regierungsweise aus der Zeit vor 1933 zurückgreifen konnten. Sie wenden sich damit gegen die verbreitete Vorstellung, dass das heutige politische System der Bundesrepublik, das allgemein als ein Beispiel einer "gelungenen Demokratie" gilt, sich als reines Nachkriegsprodukt im Kontext von Grundgesetzgebung und Wirtschaftswunder verstehen lässt.

Diese Entwicklung, die sich erst aus einer vergleichenden Betrachtung über einen längeren Zeitraum hinweg zeigt, möchten Manow und Schröder in ihrem Projekt untersuchen, um zu einer systematischen politikwissenschaftlichen Darstellung der Grundlagen unserer heutigen bundesdeutschen Demokratie zu gelangen.

Seit 2011 haben die beiden Forscher bereits u.a. im Rahmen des "Bremen Reichstag Project" umfassende Datenbestände für den Zeitraum 1890-1965 aufgebaut, zum Beispiel zur personellen Zusammensetzung der Parlamente, zum dortigen Abstimmungs- und Antragsverhalten, zu den Wahlbündnissen und zu den Wahlergebnissen. Im Projekt "Formative Stages" erweitern und systematisieren sie diese Bestände, um eine umfassende Datenbasis für ihre Fragestellungen zu erhalten. Dafür nutzen sie systematisch die neuen technischen Möglichkeiten der Erhebung und Analyse parlamentarischer Prozessdaten. Das Projekt ist damit das erste seiner Art, in dem auf diese Weise der "deutsche Weg zur Demokratie" untersucht wird.

Schröder und Manow streben im Rahmen von "Formative Stages" außerdem die Vertiefung ihrer bisherigen Kooperationen mit Projekten zu ähnlichen Fragestellungen an. Das betrifft zum einen die Zusammenarbeit mit Forscherinnen und Forschern zu den britischen und amerikanischen Fällen. Zum anderen möchten sie mit einer vergleichenden Perspektive auch die Erforschung der Entwicklung der parlamentarischen Systeme in den zahlreichen anderen europäischen Gesellschaften vorantreiben.

Weitere Informationen zum Projekt:
Formative Stages of German Politics: The Contested Rise of Parliamentary Democracy, 1867-1967


Kontakt:
Prof. Dr. Philip Manow
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 7
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58580
E-Mail: manow@uni-bremen.de

Dr. Valentin Schröder