Innovationsreport 2017Innovationsreport 2017
Der Innovationsreport 2017 wird von Gesundheitsexperten des SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen am 20. September auf der Bundespressekonferenz in Berlin vorgestellt.

Seit fünf Jahren erscheint in Herausgeberschaft von Professor Gerd Glaeske (SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik) und Professor Wolf-Dieter Ludwig (Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) der Innovationsreport mit Unterstützung der Techniker Krankenkasse. Der Forschungsbericht bewertet im Rückblick Arzneimittel, die seit drei Jahren in Deutschland zugelassen sind und von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet werden. Die Bewertungen der 32 beurteilten Arzneimittel fielen eher durchschnittlich aus, kein einziges erhielt die Gesamtbestnote "Grüne Ampel".

Im Innovationsreport werden verschiedene Aspekte der neuen Arzneimittel nach ihrer Bewährungsprobe im Alltag analysiert und Fragen beantwortet wie: Ist das Arzneimittel das einzige zur Behandlung der betreffenden Krankheit? Hat es mehr Nutzen und/oder weniger Risiken für die Patienten als andere Arzneimittel, die zur Behandlung der jeweiligen Krankheit angeboten werden und wie teuer ist es? Gibt es weitere Hinweise in Veröffentlichungen, die seit der Zulassung des jeweiligen Mittels dessen Bewertung verändern können (z.B. bezüglich der Patientengruppen)? Diese Fragen werden mithilfe eines Ampelsystems beantwortet. Dabei steht eine "rote" Ampel für eine kritische Bewertung, eine "gelbe" für eine eher offene Klassifikation und eine "grüne" für eine positive Gesamteinschätzung.

Nahezu die Hälfte der untersuchten Arzneimittel ohne Zusatznutzen
Der untersuchte Zusatznutzen wurde 15 Mal mit "rot" bewertet, d.h. nach Einführung des Arzneimittels hat es sich nicht als wirksamer oder risikoärmer als bereits bestehende Therapien gezeigt. Unübersehbares Indiz eines nach der Zulassung aufgetretenen Risikos sind "Rote-Hand-Briefe", mit denen Ärzte und Apotheken auf bisher nicht bekannte Risiken hingewiesen oder mit denen Einschränkungen für die Behandlung bekannt gemacht werden. Für sechs der im Innovationsreport 2017 untersuchten neuen Wirkstoffe wurden Rote-Hand-Briefe verschickt, für zwei sogar doppelt.
Die meisten Wirkstoffe bekamen im Innovationsreport 2017 in Bezug auf den Zusatznutzen eine gelbe Ampel. Eine grüne Ampel für eine Innovation ohne Nachteile konnte dagegen keinem der 2014 neu auf den Markt gebrachten Arzneimittel gegeben werden, auch wenn einige Arzneimittel zum Zeitpunkt ihrer Zulassung z.B. für Krebserkrankungen oder Hepatitis C große Hoffnungen ausgelöst hatten. Gerade bei den Mitteln zur Behandlung der Hepatitis-C besteht allerdings die Möglichkeit, dass einzelne Patientengruppen auf Dauer sogar geheilt werden können.

Kostenbewertung mit deutlich negativem Aspekt
Die Kosten wurden ebenfalls im Vergleich bewertet: Neun der untersuchten Arzneimittel waren teurer als Ihre Vergleichspräparate und bekamen eine rote Kostenampel. Bei zehn Wirkstoffen waren die Preise nicht zu bewerten, da sie zu den Arzneimitteln für die Behandlung seltener Erkrankungen gehören (Orphan-Drugs) gehören. Für diese Orphan-Arzneimittel gelten Sonderregeln, die u. a. finanzielle Einsparungen beim Zulassungsprocedere bedeuten und denen von vornherein ein Zusatznutzen zugesprochen wird. Fast 40 Prozent der im Innovationsreport 2017 untersuchten Wirkstoffe sind Orphan-Arzneimittel, deren Preise astronomische Höhen erreichen können. So gilt z.B. Alipogentiparvovec, ein Mittel zur Behandlung einer seltenen familiär bedingten Fettstoffwechselstörung mit Jahrestherapiekosten von 1,2 Millionen Euro pro Patient als teuerster Wirkstoff der Welt. So wird dann ein hoher Umsatz durch die neu-zugelassenen Arzneimittel für die pharmazeutischen Unternehmer erzielt, der eine große Belastung für das deutsche Gesundheitssystem bedeutet.

Ergänzung des Arzneimittelrepertoires
Wenn neue Arzneimittel auf den Markt kommen, die in Konkurrenz zu bereits bewährten, guten Therapien treten, wird im Innovationsreport 2017 für die Kategorie "Verfügbare Therapien" eine rote Ampel vergeben. Gibt es bisher keine Arzneimitteltherapie für eine Krankheit, verdient ein neuer Wirkstoff für diese Indikation eine grüne Ampel. Für den Vergleich mit den verfügbaren Therapien erhielten im vorliegenden Report fünf Orphan-Arzneimittel diese Note. Die betreffenden Mittel konnten allerdings keinen Zusatznutzen nachweisen, sodass die Gesamtbewertung mit der Ampelfarbe "gelb" erfolgte.

Biosimilars mit Einsparpotenzial bei der GKV
In einem Sonderkapitel des Innovationsreportes 2017 werden Biosimilars behandelt, die als Nachfolgeprodukte der erstangebotenen Biologika nach deren Patentablauf auf dem Markt sind. Beides sind Produkte, die nicht wie gängige Arzneimittel chemisch synthetisiert werden, sondern die künstlich hergestellte Eiweiße enthalten und die gegen bestimmte entzündungsfördernde Botenstoffe des Körpers gerichtet sind. Sie werden vor allem bei Indikationen wie Rheumatoide Arthritis, Psoriasis oder onkologischen Erkrankungen ohne klinische Nachteile für die Patienten eingesetzt. Da Biosimilars etwa 25 bis 30 % kostengünstiger als die vorher patentgeschützten Biologika angeboten werden, lässt sich wie mit den Generika im herkömmlichen Arzneimittelsegment ein hohes Einsparpotenzial erreichen. Es wird derzeit auf bis zu 500 Millionen Euro allein in der Krebstherapie geschätzt. Das Angebot wird sich weiter entwickeln, je mehr Originalpräparate ihren Patentschutz verlieren. Nun muss nur noch die Verordnungshäufigkeit der Biosimilars gefördert werden.

Spätbewertung nach der Frühbewertung notwendig
Ein weiteres Thema des Innovationsreportes 2017 ist der wachsende Anteil beschleunigter Zulassungen im Arzneimittelmarkt. Damit soll erreicht werden, dass neue Arzneimittel schneller für die Patientenversorgung zur Verfügung stehen. Der Nachteil solcher beschleunigter Zulassungen liegt aber darin, dass deutlich weniger Informationen zur Wirksamkeit und zu Nebenwirkungen vorliegen als bei den üblichen Zulassungsverfahren. Es muss daher dafür Sorge getragen werden, dass neue Arzneimittel, die auf der Basis einer beschleunigten Zulassung auf den Markt gebracht werden, nach der Zulassung in einem studienähnlichen Versorgungsumfeld eingesetzt werden. So können weitere Daten zum Nutzen und zu den Risiken der neuen Mittel erfasst und ausgewertet werden. Es kann nicht sein, dass die Interessen der pharmazeutischen Unternehmer an einem möglichst schnellen Marktzugang mit der Möglichkeit, hohe Profite im Rahmen einer möglichst lange ausgenutzten Patentlaufzeit Vorrang haben vor Therapiesicherheit und Patientenschutz.

Die Ergebnisse und Bewertungen des Innovationsreports 2017 zeigen deutlich, dass auch bei einem üblichen Zulassungsverfahren Fragen zu Risiken und Nutzen in der Patientenversorgung nicht mit ausreichender Sicherheit im frühen Stadium der AMNOG-Bewertung beantwortet werden können. Deshalb ist es umso wichtiger, zu einem späteren Zeitpunkt eine erneute Nutzen- und Risikoprüfung durchzuführen - der "Frühbewertung" muss nach der Bewährungsprobe der Arzneimittel in den ersten drei Jahren eine "Spätbewertung" auf der Basis von Studien der Versorgungsforschung folgen. Der Innovationsreport 2017 bietet hierfür eine mögliche Methodik an, die sich zugunsten der Patienten begleitend zu den bisherigen Regelungen anwenden ließe.

Der Innovationreport bietet somit aktuelle Informationen für Arzneimittel an, die bereits auf dem Markt verfügbar sind, und kann somit Erfahrungen aus den ersten Jahren der Anwendung widergeben, die für Ärzte und Patienten mehr Sicherheit in der Behandlung bedeuten.

Download:
Langfassung: Innovationsreport 2017
Kurzfassung: Innovationsreport 2017

Statement von Prof. Gerd Glaeske anlässlich der Pressekonferenz am 20.09.2017
Präsentation von Prof. Gerd Glaeske anlässlich der Pressekonferenz am 20.09.2017

Weitere Informationen:
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Kontakt:
Prof. Dr. Gerd Glaeske (verstorben)