Innovationsreport 2016Innovationsreport 2016
Fünf Jahre AMNOG und Bewertungen neuer Arzneimittel aus dem Jahre 2013.

Der vorliegende Innovationsreport, der von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des SOCIUM verfasst wurde (Boeschen, Fuchs, Günther und Glaeske) erscheint nun zum vierten Mal seit dem Jahr 2013. In ihm werden schwerpunktmäßig 23 Arzneimittel bewertet, die im Jahr 2013 neu in den deutschen Markt eingeführt wurden, zum einen im Hinblick auf ihren therapeutischen Nutzen nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin, zum anderen bezüglich ihrer Marktentwicklung und Versorgungsrealität in den Jahren 2013 und 2014 auf der Basis von Routinedaten der Techniker Krankenkasse.

Am 1. Januar 2011 trat das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) in Kraft, mit dem ohne Ausnahme alle neuen Arzneimittel, die für die Versicherten in der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, auf ihre Wirksamkeit und vor allem ihren Nutzen für die Patienten geprüft werden. Insgesamt wurden seit 2011 156 Verfahren abgeschlossen.

Fasst man die Ergebnisse zusammen, so wurde immerhin in 56,4 Prozent der Verfahren ein Zusatznutzen der neuen Arzneimittel gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie bestätigt. Dieses günstige Verhältnis hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) schon anlässlich der Bewertung des hundertsten Wirkstoffes zum Jahresende 2014 herausgestellt. Seinerzeit wurde auch noch einmal nach dem Grad des Zusatznutzens differenziert: Danach war in 21 Prozent der Fälle ein beträchtlicher Zusatznutzen festgestellt werden, im Bereich der Onkologika waren es sogar 43 Prozent. Ein geringer Zusatznutzen zeigte sich bei 26 Prozent der untersuchten Fälle, in acht Prozent der Fälle war der Nutzen nicht quantifizierbar. Oft ergab sich allerdings kein Zusatznutzen für das gesamte Indikationsgebiet, vielmehr wurde er nur für bestimmte Teilpopulationen ausgesprochen (ca. 40 Prozent), die dann auch nur für einen relativ geringen Teil der Patienten einen Vorteil bedeuteten (22 Prozent).

Es war die politische Absicht, dass mit dem AMNOG eine gesetzlich geregelte Differenzierung des Innovationsgrades neuer Arzneimittel eingeführt werden sollte, um unterscheiden zu können, ob und in welchem Ausmaß sie therapeutisch positiver zu beurteilen sind als bewährte und zweckmäßige Vergleichstherapien. Dieses Ziel wurde zwar in den meisten Fällen erreicht, nicht immer waren sich aber die Experten in der Bewertung einig, vielmehr gab und gibt es auch Diskrepanzen zwischen den Bewertungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das die für die Entscheidungen vorbereitenden Dossiers erstellt, und den abschließenden Entscheidungen des G-BA. Im Jahre 2014 wurden zum Beispiel vom IQWiG 36 Bewertungen für 33 Wirkstoffe erarbeitet (Orphan Drugs sind hier nicht eingeschlossen). Diesen Bewertungen hat sich der G-BA aber nicht in allen Fällen angeschlossen, zehnmal kam er zu einer anderen Einschätzung zum Zusatznutzen, jeweils fünfmal setzte er das maximale Ausmaß herauf beziehungsweise herab, immerhin eine Veränderungsquote von 30,3 Prozent. Denkbar ist, dass im IQWiG sehr streng nach der vorliegenden Evidenz bewertet wird, während der G-BA auch Versorgungsaspekte stärker in seinen Bewertungen einfließen lässt.

Wie schon im Innovationsreport 2015 entfällt nahezu die Hälfte der neuen Wirkstoffe auf den onkologischen Indikationsbereich. Betrachtet man die Ausgaben der Techniker Krankenkasse für die Arzneimittel-Neuheiten des Jahres 2013, so folgen viele dieser neuen Onkologika eng auf den Spitzenreiter Teriflunomid, einen Wirkstoff zur Behandlung der Multiplen Sklerose. Die Kostenexplosion in der Pharmakotherapie durch neu angebotene hochpreisige Arzneimittel, vor allem im Bereich Onkologie und Immunologie, überfordert die Ressourcen unseres solidarisch finanzierten Gesundheitssystems und erfordert dringend eine Weiterentwicklung der Kriterien für die Preisgestaltung und -festsetzung neuer Wirkstoffe, so jedenfalls eine der wesentlichen Forderungen des Innovationsreportes. Das AMNOG wurde als lernendes System eingeführt - es sollte daher auch dort weiter entwickelt werden, wo sich Defizite und Schwächen zeigen. Dies betrifft auch den Aspekt der Spätbewertung für viele Arzneimittel, bei denen unmittelbar nach der Zulassung noch zu wenig über den Patientennutzen bekannt ist. Dies betrifft letztlich die größte Anzahl der neu auf dem Markt angebotenen Arzneimittel, nämlich die Onkologika. Hier sind dringend Studien erforderlich, die in den drei Jahren nach der Zulassung die Behandlungsergebnisse dokumentieren und daher eine umfassendere Bewertung von Nutzen und Risiken ermöglichen. Auf dieser Basis sollte dann letztlich ein Erstattungspreis verhandelt werden. Das AMNOG zeigt ohne Zweifel positive Ansätze in der Bewertung neuer Arzneimittel, es sollte aber zugunsten von mehr Entscheidungssicherheit weiterentwickelt werden.

Download:
Langfassung: Innovationsreport 2016
Kurzfassung Innovationsreport 2016

Statement zur Pressekonferenz von Gerd Glaeske
Präsentation zur Pressekonferenz Gerd Glaeske


Kontakt:
Prof. Dr. Gerd Glaeske (verstorben)